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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 30.1912

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Nr. 1
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Rohr, Ignaz: Eine Hohenstaufenkirche auf elsässischem Boden, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16252#0007
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reitet hat und schon vorher genau weiß,
was zu sehen ist, der kann auf einer
Tagfahrt die iuteressauteu Kirchen bezw.
Actinster von Kolinar, Schlettstadt und
Thann besichtigen, unb wenn er zwei
Tage nimmt, kann er die Hohkönigsbnrg,
die Kirche von Nufach und die von Ott-
marsheim noch hinzunehmen unb das
Schongauermnsenin in Kolmar besuchen.
Hat er noch wehr übrige Zeit, so kann
er eine Rundfahrt §u den Gemälden
Martin Feuersteins, eines Barrer
Kindes, machen. Die Fundorte mag er
ans dein Odilienberg erfragen. Die meisten
der genannten Kirchen, vorwiegend der
Staufenzeit, also den: romanischen
Stil angehörend, können zwar mit dem
Dom von Mainz oder Worms oder Bam-
berg und der Kirche von Maria-Laach
nicht konkurrieren; aber für sich genom-
men sind sie doch sehr beachtenswerte
Proben romanischer Bautätigkeit. Das
Münster von Thann muß als eine Perle
gotischer Kunst bezeichnet werden. Zwar
steckt ein gutes Stück Lokalpatriotismus
in dem Elsässer Sprichwort:

's Stroßbnrger Münster isch's hägscht
(höchste)

's Friburger isch's dickscht
's Thannemer isch's fienscht (feinste) —;
aber wer die Harmonie der Anlage, die
Feinheit des Details, die Mannigfaltig-
keit der Gliederung des Innern und den
Reichtum der Ausstattung sich zu Gemüte
führt, der wird denselben immerhin be-
greifen und gestehen müssen, daß kaum
noch ein anderes Städtchen von der Größe
Thanns ein so vornehmes Gotteshaus
sein eigen nennt.

Ungemein ernüchternd wirkt nach einer
solchen Fahrt zu wohlerhaltenen Denk-
mälern großen Stils ein Gang zrr der
Kirche, der diese Zeilen gewidmet sind °.
S t. M a r i a zu Nieder m ü n st e r.
Dort trntzig sich ausdehnende Maner-
massen und himmelanstrebende Türme,
hier Schutt und Trümmer, dort Denk-
mäler, an deneri der Kunstsinn der Gegen-
wart sorglich wiederhergestellt hat oder
wiederherznstellen sucht, was die Ver-
gangenheit beschädigt oder zerstört, hier
eine Stätte, wo vor riicht gar langer
Zeit rioch der — Erwerbssinn das Trüm-
merfeld einer entschwundenen Herrlichkeit

als Steinbrnch für die Kunden aus der
Nachbarschaft ansah, bis der Kunstsinn
und die Pietät dein Treiben ein Ende
inachten und retteten, was iioch zu retten
war.

Für die S ch w a b e n ist die Stätte
voil besoiiderem Interesse, denn eine
Tochter des Schwabenlandes aus dem
erlauchten Geschlechts der H o h e ii st a u f e il
hat dereinst gebaut, was jetzt in Trüm-
inern liegt. Barbarossa hat das Klo-
ster ans dem Berge besucht, Irene, die
spätere Gemahlin seines Sohnes Philipp,
ivar hier voil Heinrich VI. als Ge-
fangene interniert. 9! e l i il d i s, eine Ver-
wandte Barbarossas, iiahiil iiil Jahre 1153
die Leitniig des Klosters Hohenberg auf
dem Odilienberg und die von Nieder-
inünster zu dessen Füßen in ihre ener-
gische Hand uiid bewies, daß das organi-
satorische Talent und die Kraft zniil
Herrscheil sich iiicht ans beit Mannesstamm
ihres Hauses beschränkte. Sie gebot dem
Verfall Einhalt, führte die Regel des
hl. Augustinus ein uitb gab der ursprüng-
lich nur zniil Spital bestimmten, aber
später znm eigeiltlichen Kloster erweiterteil
Niederlassung am Fuße des Berges ein
inlposantes Gotteshaus; uitb wenn sie
auch seilte Vollendung nicht mehr erlebte,
so sorgten doch ihre beideil Nachfolge-
rinnen auf Hohenberg, Herrad vout be-
nachbarten Schlosse Landsberg, die
auch heilte noch in Ehren genannte Ver-
fasserin des lrortus deliciarurn, und in
Nied er Münster Edellindis, eben-
falls eine Landsbergerin, daß der Ban in
ihrem Sinile zniil Abschluß kaut und eine
würdige Ausstattung erhielt. Auch die
nachher noch zu nennende St. Nikolans-
kapelle wurde wiederhergestellt. Um den
beiden Klöstern eine geordilete Seelsorge
zil sichern, errichtete Herrad das benach-
barte Prämonstratenserpriorat St. Gorgon.
Leider dauerte die Blüte nicht lange.
Rechtsstreitigkeiteil mit bem mächtig auf-
blühenden Bürgertum der Nachbargemein-
den, Zwist zwischen deil beideil Schwester-
klöstern, innere Unordnung und äußere
Stürme zehrten an ihrem Bestände. Aus
devl Brande im Jahre 1540 erhob sich
Niedermünster nur noch teilweise, ans
dem voul Jahre 1572 überhaupt nicht
mehr. Es blieb Trümmerhaufen und diente
 
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