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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 30.1912

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Nr. 1
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Fischer, J.: Erziehung und religiöse Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16252#0010

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— 5

Politik, meint selbst heiligmäßige Männer
wie Papst Nikolaus V. der Kunst gegen-
über ein fürstliches Mäzenatentuin übten.
Denn enlweder ist sie Dienerin und Freun-
din der Religion oder deren Feindin.
Betet sie nicht, so lästert sie. Wollen
mir zur Bekämpfung der Frivolität einen
Beitrag liefern, so müssen mir die Vor-
bedingungen einer christlichen Knnst setzen.
Aber mie?

2. Die Methode.

Die zmeckmäßigste Methode der ästhe-
tischen Erziehung sucht man nenestens mit
Vorliebe durch psychologisches Experiment
festzustellen. Dabei sollte man nie über-
sehen, daß die diskretesten und rneitest
tragenden Seelenereignisse sich dem Ex-
periment rnohl immer entziehen rnerden.
Als Beispiel diene eine Stelle in Eichen-
doiffs Roman „Ahnung und Gegenmart",
die man autobiographisch zu fassen pflegt.
Der Dichter schildert die Eindrücke der
deutschen Volksbücher ans sein kindliches
Herz und bemerkt: „Es mar, als hätten
mir diese Bücher die goldenen Schlüssel
zu den Wnnderschätzen und der ver-
borgenen Pracht der Natur gegeben. Mir
mar noch nie so fromm und fröhlich zu-
mute gernesen. Selbst die ungeschickten
Holzstiche dabei ivaren mir lieb, ja über-
aus ivert. Ich erinnere mich noch jetzt
mit Vergnügen, ivie ich mich in das Bilo,
ivo der Ritter Peter von seinen Eltern
zieht, vertiefen konnte, ivie ich mir den
einen Berg im Hintergründe mit Burgen,
Wäldern, Städten und Morgenglanz ans-
schmückte, und in das Meer dahinter, ans
ivenigen groben Strichen bestehend, hin-
einsegelte. Ja, ich glaube ivahrhaftig,
meint einmal bei Gedichten Bilder sein
sollen, so sind solche die besten. Jene
feineren, sauberen Kupferstiche mit ihren
moderneit Gesichtern und ihrer bis znm
kleinsten Strauche ausgeführten und sest-
begrenzten Umgebung verderben und be-
engen alle Einbildung, anstatt daß die
Holzstiche mit ihren vermorrenen Strichen
und unkenntlichen Gesichleru der Phan-
tasie, ohne die doch niemand lesen sollte,
eilten frischen, unendlichen Spielraum
eröffnen, ja sie gleichsam herausforderu"
(Erstes Buch. Fünftes Kapitel). Man
denke sich nun den Fall, der Knabe märe

einem auf das Experiment schrnörenden
Psychologen in die Hände gefallen und
hätte in einem psychologischen Extemporale
über seine Gefühle Rechenschaft ablegen
müssen. Das Resultat märe sicherlich
interessant ausgefallen. Immerhin ist cs
lehrreich, die gesicherten Ergebnisse der
experimentellen Forschung herauszustellen.
Es handelt sich, um das gleich zu sagen,
nicht um nagelneue Wahrheiten, sondern
um Bestätigung älterer Erkenntnisse.

Die erste dieser Erkenntnisse ist die,
daß, abgeseheit von ivenigen Ausnahmen,
beim Kind ebensoivenig von einem sicheren
Urteil in Kunstsachen als von rnirklich
künstlerischer Produktion die Rede sein
kann. Uebrigens unterscheiden sich in
diesent Punkte die Erivachsenen nicht in
dem Grad, als man meinen möchte. Das
sichere Urteil der Großen ist vielfach weiter
nichts als durch die Presse hervorgerufeue
Massensuggestion. Für die Beschüstignng
mit der religiösen Kunst ist unsere Er-
fahrung von geringem Belang, iveil es
uns dabei in erster Linie ans den Gehalt
und erst in zrneiter ans die Fornt an-
komntl. Das eine aber ivird man daraus
folgern müssen, daß es an den urteils-
fähigen Kreisen liegt, das Angebot ans
dem Gebiete der religiösen Kleinkunst zu
regulieren und ztt heben. Es muß so weit
kontmeu, daß mau die Erzettguisse der
berufenen Firmen guten Geivisseus en
bloc empfehlen kann. Daun werben die
Schaufenster und der religiöse Wand-
schmuck in den Kinderstuben rnirklich er-
zieherischen Einfluß gerniuuen.

Viel ivichtiger ist eine ziveite Erkennt-
uis. Dieselbe betrifft die Wechselivirknug
zivifcheu der seelischen Veranlagung des
Kindes, seiner rezeptiven und seiner pro-
dnkliven Tätigkeit. Diese drei Faktoren
nämlich bedingen die Entivicklung der
ästhetischen Fähigkeiten.

Dürfen mir beim Kind eine irgendivie
bemerkeusiverte religiöse Veranlag u n g
voraussetzen? Ohne Ziveifel. Hören mir
noch einmal ein Bekenntnis Eichendorffs
aus beit Tagen seiner Jugend! „Mein
Hofnteister," heißt es in „Ahnung und
Gegenmart", „fing an, mir alle Sonntage
ans der Leidensgeschichte Jesu vorzulesen.
Ich hörte sehr aufmerksam zu. Bald
ivnrde mir das periodische, immer ivieder
 
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