Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 30.1912

DOI Heft:
Nr. 1
DOI Artikel:
Weser, Rudolf: Zur Erklärung mittelalterlicher Kunstwerke: (Gmünder Kunst)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16252#0015

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
10

liierende Stellung entnimmt; es wird
unmittelbar unter dem Bild des Richters
von^einem Engel^den Auferstehenden ent-
gegengehalteu. Auch auf Michelniigelos
Gerichtsbild trageil die Engel das Kreuz.
Ebensoweiiig fehlt das Kreuz auf der
Gmünder Weltgerichtsdarstellung. In der
inneren Zone der Archivolten sind die
Engel mit den Leid eil sw er k-
zeugeil, oder wie Hartmann sagt, mit
den Trophäen Christi ailgebracht. Einer
von diesen, auf der rechteil Seite, vom
Richter aus gerechilet, trägt das Kreitz,
das sich ungefähr in gleicher Höhe mit
dem Richter befiiidet und — das ist
Hartmanu bei der sonst sehr eingehenden
uiid treffeildeil Schilderung des Zugs der
Seligen, der Auferstehung der Toten unb
des Zuges der Verdalitlnten entgangen —
die Blicke billiger Personell aus dieser
dreifachen Gruppe sind gerade rechts anf-
wärts liach diesem Kreuze hilt gerichtet,
während der Blick des kreuzhaltendelt
Engels genau auf den Richter hin ge-
wendet ist. Durch diese zweifache Wen-
dung der Blicke hat der Künstler in ganz
ausgezeichneter Weise die innigste Ver-
bilidullg feiner „Trophäe" mit dem gan-
zen Gerichtsbild zum Ausdruck gebracht.
Das läßt sich auch ganz gut erkennen
aus ben ausgezeichneten - photographischen
Tafeln, die dem Werke beigegeben sind.
Hier kommen in Betracht Tafel 13 und
14.

Wollen wir nun noch die Bezieh-
ung eli der beiden Portale zu
einander und die Beziehungen des
Skulpturenwerks am Südportal betrach-
ten, so ergibt sich folgendes Resultat:
Das Nordportal schildert Christi Leioen
und seiner Apostel nnb Jünger Leiden.
Nicht ohlie Absicht der Künstler beginnt
die Darstellung im ulltersten von ben
drei Feldern, in ivelche das Tympanon
geteilt ist, nnb wird fortgeführt bis zum
descensus ad inferos im oberstell in
die Spitze einmündenden Feld. Hier
leuchtet in die Darstellung schon der be-
ginnende Triumph des Gekreuzigten her-
ein. Diesen Gedanken des Triumphes
nimmt das Südportal auf. Läuft die
Darstellung^des Nordportals von unten
nach oben, so .diejenige des Südportals
von oben nach unten. Int obersten Tym-

panollfelde thront der Richter mit Maria
und Johannes Baptist nnb zwei in die
Posaune blasenden Engeln, im mittleren
Feld sitzt ill lebhafter Bewegung die mit-
richtelide Schar der Apostel, im untersten
Feld wird die Totenanferstehulig unb die
Scheidung der Gerichteten abgeschildert.

Nun ist aber auch das ganze Skulp-
tnrellwerk des Südportals in Beziehung
zu bringen unb etwas anders zu erklären,
als es von Hartmann geschieht. Die
Archivolteil der Vorhalle bringell die Ge-
schichte der Schöpfung bis Noe. In
ihr ist die grandiose Vorgeschichte
des E r l ö s n li g s - und Gerichts-
dravlns gegeben: Paradiesesbaunt unb
Kreuzesbaum, Erlösungsverkündigung und
Erlösungsvollendung — das sind die
verbindenden Gedankell. Damit ist die
Schöpfung in die Kreuzesgeschichte ein-
bezogen.

Die Pr op h e t enreih e mit ihren
Spruchbülldern an der äußerell Archivolte
des Portals redet von der Vorberei-
t nll g der Erlösung im Alte u
Bunde, die E ngel der inneren Archi-
volte mit den Leidenswerkzeugen preisen
den Vollzug der Erlösung im
Kreuzesleiden ihres Herrschers, des Gottes-
sohnes im Reuen Bunde. Das Thema
dieser Archivolteu ist also mit einem
Worte: die Erlösung.

Das Portallpmpanon selbst schildert
die Vollendung des ganzen Gottes-
werks an der Menschheit im Gerichte.

In der Darstellung der Schöp-
fung, Erlösung und Vollendung
deil Triumph des Gekreuzigten
zu zeigen — viese Aufgabe haben sich
jene Künstler gesetzt und haben sie glän-
zend gelöst. Ich bin des Glaubens, daß
diese einfache und ungezwungene Erklä-
rung nichts in das Werk hineingeheimnist
hat, was nicht der glaubensstarke Sinn
des Mittelalters und seiner Künstler mit
ganzer Innigkeit gedacht und umfaßt hat.

3. Jul Zusammenhang mit dem bis-
herigeil möchte ich noch auf eine neueste
Publikation Hinweisen, die auch einer
Korrektur bedarf in Hinsicht auf Deutung
und Erklärung von Kunstwerken. Es ist
das von Julius Baum herausgegebeite
 
Annotationen