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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 30.1912

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Nr. 4
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Naegele, Anton: Von Unlingen nach Rom: des Bildhauers Professor Joseph von Kopf künstlerische Entwicklung und Beziehungen zum württembergischen Könighaus ; Vortrag bei der Königsfestfeier des Progymnasiums Riedlingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.16252#0038
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gezeichnet, als er in alten Tagen auf
dein Gipfel des Erfolges Rückschau hielt
auf die weit verschlungenen Pfade seines
Künstlerlebens, im Jahre 1899 „Lebens-
erinnerungen eines Bildhauers"
herausgab — mit Recht als eines jener
wahrhaften documents humains ge-
rühmt. Dazu sind mir Abbildungen und
Briefe von Angehörigen gütigst zur Ver-
fügung gestellt, wofür wir auch von
dieser Stätte aus geziemenden Dank alls-
sprechen, vor allem der Witwe und Toch-
ter des Künstlers, Frau Professor von
Kopf intb Fräulein Anna Kopf in Nom,
sowie den beiden eilizig überlebenden
Schwestern Kopfs, Frau Oberst von Pütz
in Bozell und Fräulein Antonie Kopf in
Riedlingen.

„Geboren bin ich 51t Unlingen
(Württemberg) im Douautal, einem Dorf
bei Riedlingen, unweit Sigmaringeu, am
10. März 1827." Mit so umständlichen
Bezeichnringen der weltfernen Heimat be-
giunell die autobiographischen Aufzeich-
uungeu Kopfs, so gar schlicht und ein-
fach. Joseph war nach zwei früh ver-
storbelien Lorenzleiit der dritte Sohn
des Uitlinger Bauern Pelagius Kopf auf
bem Loreuzenhof. Das Geburtshaus
schmückt eilie uns allen bekanlite Gedächt-
uistafel, ein Akt der Pietät, der Heiniat
und Heimatsohn gleich ehrt. Der Hof
war liach des Großvaters Vornamen ge-
nannt, dem der kleine fünfjährige Enkel
mit echt knabenhaftem Stolze das um-
florte Kreuz zum Grabe tragen durfte,
dessen altehrwürdige Otterpelzkappe er
dafür geerbt hat.

Der Vater (geb. 1794 in Unlingen)
war ein Bauer voll echtenl Schrot und
Korn, dabei ein eigener Kopf, er hat
nicht nur fast wie weiland Moses feine
kastanienbraunen Haare ungebleicht und
seine 32 gesuudell Zähne 80jährig mit
ins Grab genommen; im Adler hat er
auch mit Pfarrer und Schultheiß aur
Stammtisch über Napoleon, Politik uub
Religion disputiert, bis der junge Joseph
zunr Ausbruch mahnte, im stolzen Be-
wußtsein eines Knaben ihn öfters heim-
begleitend, überzeugt, daß fein Vater der
gescheiteste Alaun sei und rnehr wisse als
alle die andern zusanunen. Uno wie
nlerkwürdig! wo wäre heute in unserer,

Zeit der überall aus dem Bodell wie
Pilze aufschießeuden höheren Schulen der
Mann zu finden? — dieser gescheite
Bauer las viel in Büchern und, wie sich
der Sohli erinnerte, Platos Gesppstche des
Sokrates immer und immer wieder! Daß
der Vater fein eifriger Kirchgänger, kein
arg seßhafter Bauer, oft auf bem Korn-
handel abwesend, Liebhaber von Wagen
ulid Pferden war itub Haus und Hof
öfters wechselte, rnachte der Mutter manch
Herzeleid.

Des Künstlers Mutter, eines wohl-
habenden Uttenweiler Bauern Tochter,
1803 geboren, — wie ringt seine Feder,
zittert sein Herz, wenn er noch in spä-
teren Jahreil ihrer gedenkt! „Meine
liebe Mutter, wie gerne möchte ich ihr
Bild zeichnen, klar 1111b gut, wie ihre
Seele lvar." Eines Tages schaute der
Knabe in der Kirche trotz Lehrersverbot
lim lllid gewahrte ein sehr feines, blasses
Gesicht, ins Gebetbuch eifrig verselikt, so
ganz aliders als die übrigen berben far-
bigen Gesichter in seiner Nähe — es war
seine Mutter. Nie mehr hat der damals
Fünfjährige dieses Bild der geliebten, so
ernsten, ruhigen, sorgenvollen, oft weinen-
den Mutter vergessen können. Als sie
später nach einem Heimatbesuch 1864 mit
geschlossenen Fenster dein Scheidenden
nachsah, war es das letztemal, und wenn
der große, reich und berühmt gewordene
Sohn später das Elternhaus wiedersah,
da war es ihm, als müßte der Mutter
Bild hinter der Fensterscheibe sich wieder
zeigen; er sah es nimmermehr. Einer
so edlen Mutter kindlich liebevoller Sohn
konnte nicht in die Irre gehen, ohne sie
und sich wiederzufinden, der Sohn einer
Mutter, von welcher der siebzigjährige, als
spottluftiger Weltmann bekannte Künstler
uns erzählt, wie sie den Vierjährigen
beten gelehrt: „Nach dein Znbettegehen
und nach dein Segen der Mutter fand
ich mich immer unbeschreiblich wohl und
so sicher, als ob ich meinen Schutzengel
bei mir hätte stehen sehen."

Ein günstiges Geschick hat uns drei köst-
liche Handzeichnungen von Kopfs Eltern
und der früh verstorbenen klassisch-schönen
Schwester Genoveva aus den Jahren 1858
und 1881 erhalten, Charakterköpfe, wie
 
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