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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 30.1912

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Nr. 4
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Naegele, Anton: Von Unlingen nach Rom: des Bildhauers Professor Joseph von Kopf künstlerische Entwicklung und Beziehungen zum württembergischen Könighaus ; Vortrag bei der Königsfestfeier des Progymnasiums Riedlingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.16252#0041

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neu Tiber herrlichen Gestaden? Euret-
wegen, liebe Jugend und teurer Jugend ;
liebe Eltern, die ihr heute im festlichen
Saale versammelt seid, dem Landesvater, j
dem aller Herzen heute entgegenschlagen, j
zu huldigen, zu huldigen auch einem
König im Reiche der Kunst, dessen Le-
bens- und Entwicklungsgang lehrreich für
Eltern und Lehrer und Schüler ist. Ist
nicht oft die Entwicklung eines großen
Geistes lehrreicher als seine Vollendung,
das Werden vollends heute im Zeitalter
psychologisch-genetischer Forschung inter-
essanter, spannender als das Gewordene?
Wie denn auch im schriftlichen Lebens-
gang Kopfs der Oberlauf mit feinen
Hindernissen, seinem Werden und Wach-
sen weit interessanter ist als der breite
Lebensstrom, getragen von Glück und
Ehre nnb Einfluß bei Fürsten und Völ-
kern. Ja, es muß etwas Großes sein
unr einen solchen, unaufhaltsam wie ein
Bergstrom vorwärts drängenden Beruf,
die vom Schöpfer in den Menschengeist
hineingesenkte Naturanlage, deren Ent-
wicklung und Betätigung allein bent Men-
schen den rechten Platz in der Arena des
Lebens anweist, oft nicht ohne tragische
Kämpfe selbst im Schoße der eigenen
Familie, auch der unseres Künstlers.

Immer und immer wieder sehen wir
eben die alte Mär sich wiederhole», in
alten Zeiten schon erzählt und noch in
unseren Tagen erlebt: „Es war einmal
ein Hirtenbub." Es war einmal vor
vielen Jahrhunderten, da hütete ein
Bauernbnb die Schafe; er griff in der
Einsamkeit zum Zeichenstift, um die weite,
schöne Gotleswelt, die ihn umgab, fest-
zuhalten, und wurde ein großer Künstler.
Dieser Hirtenknabe— es ist keine erdich-
tete Mär — war Giotto, der erste Meister
der Renaissance in Florenz und Rom.
Es war wieder einmal vor etlichen Jahr-
zehnten, da hütete ein Bauernbub am
Bussen mit andern Dorfkindern, lernte
dann hinternr Pflug hergeheu und dann
Ziegel formen, aber auch bald Menschen-
antlitz, Häsleiu und Böglein in Lehm und
Holz nachbilden nnb ward auch ein großer
Künstler. Auch er halte keinen andern
Lehrmeister als die Natur, und in der
harten Schule des Lebens reifte das Ta-
lent des geborenen Künstlers von Gottes

Gnaden heran, weiterer Ausbildung har-
rend. Was Vasari in seinen Vite di
piu eccellenti scultori 1550, was
Meister Josephus selbst in seinen Lebens-
erinnerungen, was die Kunstgeschichte durch
die Jahrhunderte wandelnd von einem
Lionardo, Giorgione, Rembrandt, Ohu-
uiacht nnb noch in unfern Tagen von
einem Millet, Segantini, Defregger, Leu-
bach, Zügel, Braith u. a. berichtet, be-
wahrheitet nur die alte, ewig ueue Er-
fahrrmgstatsache: alle große Kunst steht
im engsten Bund mit der Natur, alle
große Kunst wurzelt im Heimatboden,
in der Einsamkeit des Landlebens, selten
in sog. mondänen Einflüssen; einmal
muß jeder echte Künstler vor dem Auf-
stieg zur Sonnenhöhe den Schöpfungs-
morgen seines Berufes in der Stille der
schaffenden Natur erleben, ob er Maler
oder Bildhauer sei, oder ein Nachfahre
Walters von der Vogelweide, der non
der Amsel am Bach seinen Sang ab-
gelanscht! Und wenn oder weil irrende
Theorie oder verirrte Praxis dessen manch-
mal vergißt, darum werden allein Knltur-
protzentum, allem Bildungsstolz zum
Trotz, einst wie jetzt noch, Bauernbuben
auserseheu, der Menschheit ueue Werte
in der Welt des Geistes nnb der Kunst
zu bringen. Aber für solche Lieblinge
gilt nicht weniger uüe für gewöhnliche
Sterbliche Hesiods Wort:

Tr/g ägeirjc, iÖQona ■d'eol nQOndQoi'd'Ev
i'd'tyAav,

Vor die Tugend, die Tüchtigkeit, auch die
künstlerische, haben die Götter den Schweiß
gelegt.

II.

Noch lag der Weg zum Ziel weit vor
de:n strebsainen Kunstjünger: Ars longa,
vita brevis, die Kunst ist laiig, das Lebeii
kurz, besonders kurz ein Menschenleben,
noch mehr ein Jugendleben wie das
Joseph Kopfs, dessen gut Teil lange
Kämpfe, heißes Ringen um den höchsten
Preis aiisfüllten. Auch in beit nun fol-
genden Wanderjahren mit all ihren
Hoffnungen und Enttäuschungen, ihren Ent-
sagungen und Entbehrungen blieb der
feste, unerschütterliche Wille zur Kunst
Sieger. Den Wanderstab in der Hand, Ala-
basterstücke und Schilttzereieil in der Tasche,
 
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