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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 30.1912

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Nr. 4
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Naegele, Anton: Von Unlingen nach Rom: des Bildhauers Professor Joseph von Kopf künstlerische Entwicklung und Beziehungen zum württembergischen Könighaus ; Vortrag bei der Königsfestfeier des Progymnasiums Riedlingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.16252#0044

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später ausgeführt, noch im Baun der
Romantik und Nazarener Schule, ohne das
vom Künstler selbst vermißte individuelle
Leben im Christusantlitz, ward als Erst-
lingswerk, einem Votum vor der Nom-
reise gemäß, der Bussenkirche ob Un-
lingen 1869 gestiftet. Wir können diese
primitiae artis wohl alle; es hat selbst
seitens Fachmännern bald Unter-, bald
Ueberschätzung erfahren.

Schon das alsbald in Angriff genom-
niene, durch Bibellektüre bestimmte zweite
Modell bedeutet einen neuen Markstein
in Kopfs künstlerischer Entwicklung; es
bezeichnet die Wendung vom romantisch-
antihellenistischen Idealismus zu einem ge-
läuterten, klassisch angehauchten Realis-
mus, der alle künftigen großen Schöp-
fungen des Meisters charakterisieren sollte.
Es ist , das Relief A b r a h a m u n b
H'a gar, das den Streit zweier Frauen um
einen Gemahl und zugleich Geliebten zu
klassischer Darstellung bringt, in Zeich-
nung unb Modell 1854 umgebildet nach
des scharfblickenden Cornelius' Kritik. Des
gewaltigen Düsseldorfer Galeriedirektors
Weisung und Weissagung: „Es gibt im
Leben Punkte, um die sich später alles
dreht; dieses Relief könnte ein solcher für
Sie werden" — sollte eintreffen. Januar
1856 in Marmor vollendet, mit seiner
herrlichen klassischen Gruppierung, der
tiefen seelischen Empfindung der Hand-
lung, der hohen formalen Schönheit, dem
ruhig-majestätischen und doch bewegten
Ausdruck der Gedanken und Stimmungen
des nur die rechtmäßige Mutter besorgten
Isaak und des die demütigende Situation
bereits erfassetideti zornigen Jsmael, für
welch letzteren der schöne Ludoviko Seitz,
der spätere berühmte Maler und Galerie-
direktor, Modell stand, es fand beit Bei-
fall König Wilhelms I. v o n W ü r t-
temberg, dein Konsul Kolb eine Photo-
graphie übersandte. Welch ein Jubel
über die erste Bestellung, die ihm
450 Skndi — 1800 Mark einbrachte!
Seine Majestät ließ das vielbewnnderte
Relief in einem von ihm bewohnten
Zimmer des Kgl. Schlosses über der Türe
anbringen.

Inmitten froher neuer Entwürfe uitb
Arbeiten (Reliefe: Nemesis, Salomos

Urteil; Nundfignren: ährenlesende Ruth,

Bier Jahreszeiten; erste Porträtbüste
—- der späte Hauptgegenstand von
Kopfs künstlerischer Tätigkeit) traf unsern
überglücklichen Landsmann die zweite
Entscheidung für seine Künstlerexistenz,
die wichtigste für seine ganze Zukunft,
die Ankunft des württembergischen Kron-
prinzenpaares Karl und Olga in Rom,
4. April 1857, in Begleitung von Gras
Zeppelin und anderen hohen Herren und
Damen. Ehrenvolle Vorstellung beim
Empfang der Hoheiten in der Schwaben-
kolonie, Besuch derselben in Kopfs
Atelier, wo Olga ebenso künstlerische,
treffende als schmeichelhafte Urteile ab-
gab über Kopfs Arbeiten, und der fast
schüchterne Kronprinz ruhig beizustimmen
pflegte, Einladung zum Frühstück, wo
weitere Bestellungen in Aussicht gestellt
ivnrden und vor freudiger Erregung dar-
über unser Kopf seinen Kopf fast verlor,
den Teller im Kreise sich drehen sah und
mit der Gabel fehlgriff, Empfänge und
Bestellungen seitens der Kaiserin von
Rußland, Olgas Mutter und Schwester
und anderer Glieder des württembergischen
und russischen Hofs — eine Lockung für
geldreiche Russen, erfolgreicher als Kopfs
lange erst vergebliches „Angeln nach
Angelsachsen", endlich frohe Frühlings-
wagenfahrt mit den kaiserlichen Damen
nach Albano, auch Ritte in der Cam-
pagna mit Henneberg und Pasini, durch
Hennebergs Gemälde verewigt — all das
machte unserm Künstler Ostern 1857 zu
einem einzig frohen Feste. 30 Jahre eben
alt, war der ehemalige Bauernbub und
Zieglerjnnge zum königlichen Hofbildhauer
und bald auch zum Kaiserbildner empor-
gestiegen, ähnlich wie 300 Jahre früher
ein Riedlinger Bürgerssohn, Andreas
von Je rin, Fürstbischof von Breslau
und Fürst von Schlesien, Diplomat und
Vertrauensmann Kaisers Rudolf II.,
Ahnherr und Gründer, eines heute noch
blühenden Adelsgeschlechts in Schlesien
geworden war, dessen Biographie soeben
ans Grund neuer Quellen veröffentlicht
worden ist.

Mit welchen^ Gefühlen, glauben wir
wohl, mag darauf Kopf seine erste Heim-
reise, gerade sieben Jahre nach seiner Rom-
fahrt, 1859 angetreten haben? In
Stuttgart wurde er von Olga mit
 
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