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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 30.1912

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Nr. 4
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Naegele, Anton: Von Unlingen nach Rom: des Bildhauers Professor Joseph von Kopf künstlerische Entwicklung und Beziehungen zum württembergischen Könighaus ; Vortrag bei der Königsfestfeier des Progymnasiums Riedlingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.16252#0045
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ausgesuchtester Höflichkeit und Liebens-
würdigkeit empfangen, nach Schloß Berg
geladen, wo die bestellten vier Jahres-
zeiten, darunter der Sommer, die wun-
dervollste Verkörperung von Natnrschön-
heit ohne das sonst übliche allegorische
Beiwerk, Aufstellung erhalten sollten.
König Wilhelm I. lobte besonders sein
Relief Hagar: „Werden Sie nur ein
tüchtiger Künstler, einen solchen können
wir brauchen. Halten Sie sich recht an
die Natur! sie ist nicht so sündig, wie
man sie machen will."

Es folgten idyllische Tage auf beiu
Landsitz der hochgebildeten, edlen, ans
England stammenden Baronin von Speth
in Z wie falte ndorf, deren wundervolle
Marmorbüste, Roul 1859 vollendet, pietät-
voll vom neuen Schloßherrn, Baron von
Bodman, in den alten Räumen aufbe-
wahrt wird, und dann in der Heimat bei
den Eltern in Betzen weil er. Por-
träte Kopfs aus diesen Jahren zeigen,
in wie hohem Grade der Bildhauer bei
Kunstgenossen ersten Rangs und Namens
sich bald Anerkennung ntid Freundschaft
zu erwerben wußte.

Im Jahre 1863 führte Kopf eine
Reise nach Paris und Stuttgart wieder
an den Hof. König Wilhelm zeigte sich
besonders über die Figur der Nymphe
erfreut. Kronpririzessirr Olga lud ihn
hnldvollst auf Villa Berg und für die
Herbstzeit nach Genf, wo er ihre nrid
des Kronprinzen Büste rnodellieren sollte.
Kopf war unterdessen zu einem der be-
gehrtesten Porträt isten für Fürsten,
Gelehrte und Künstler geworden; durch
psychologische Auffassung, Vertiefung in
die menschliche Seele, glänzende Charak-
teristik und Meisterschaft in Behandlung
der Form werden diese Porträts auch in
kommenden Generationen sich Bewunde-
rung sichern. Ich kann ans ihrer Menge
heute hier nur eine ganz kleine typische
Auswahl vorlegen, nicht besprechen: Kai-
serin Augnsta, Leo XIII., Döllinger,
Björnson Björnsterne.

Die Hochzeitsreise mit dem 1864 ange-
tranten, ebenso reichen und schönen als
schöngeistigen Frl. Anna Brenckmann von
Hamburg führte wiederum an den würt-
tembergischen Hof. Olga mar unterdessen
Königin geworden, Was durfte er jetzt

von der hohen Gönnerin nicht alles er-
warten? Von Friedrichshafen durfte er
mit dem Hofzug des Kaisers von Ruß-
land nach Stuttgart fahren, wo neue
Feste, neue Aufträge seiner warteten.
Beim Hofball eröffnete ihm Königin Olga,
die aufs liebenswürdigste auch mit der
jungen Frau des Künstlers verkehrte, sie
wolle zwei große Kamine nach Egles
Zeichnungen für den weißen Saal im
Kgl. Residenzschloß machen lassen. Die
vier Elemente, die beim Feuer des Ka-
mins wirken: Prometheus und Gäa,
Zephyr und Venns, d. i. Feiler, Erde,
Wind und Wasser, umgeben von Putten
und Karyatiden und Reliefbildern der
flüchtigen Zeit und in der Mitte Nischen
mit den Büsten der Majestäten — das
war der gewaltige Entwurf, vom Geist
Michel Angelos, des Schöpfers der Me-
dizeergräber, inspiriert. Zur Ausfüh-
rung der Skizze wurde bem Künstler ein
Saal im Kgl. Schloß als Atelier ange-
wiesen. Feste, Einladungen ehrenvollster
Art, Unterricht der jungen Großfürstin,
späteren Herzogin Wera im Modellieren
wechselten mit den Entwurfsarbeiten ab,
die dann in Rom nach drei Jahren harter
Arbeit vollendet wurden.

Vor der Abreise besuchte Meister Jo-
sephus die Ellern zum letztenmal in Betzen-
weile r. Der Schildbürgerstreich des dor-
tigen Gemeinderats sollte leider auch in
beu Memoiren des Künstlers verewigt
werden. Am Wohnort der Eltern wollte
er für die Heirat das Bürgerrecht er-
werben. Auf sein Ansuchen ward aber
dem Künstler der Bescheid: „Das Arme-
lentehans sei schon überfüllt von solch
heimatlosen Menschen!" Daraufhin nrachte
ihn der Geburtsort Unlingen znnr Ehren-
bürger; der dankbare Bürgerssohn stiftete
dafür seiner Heimatkirche einen Taufstein
nrid seiner Heimatgemeinde seine Büste
in Bronze, die wir heute im Original
in unserem Festsaal, im Gipsabguß in
der Altertnmssammlung bewundern kön-
nen. Der edle Pfarrer Vogt in Betzen-
meiler, „eine scharmante, herzensgute Per-
sönlichkeit mit frischen, gesunden Ansichten
über das Leben", nahm die römischen
Gäste in sein Haus auf; dein geistvollen
Geistlichen widmete der dankbare Künst-
ler eine Mädynnenbüste nach der Auf-
 
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