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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 30.1912

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Nr. 5
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Wunder, ...: Die Wiesensteiger Glocken, [1]: ein Beitrag zur vaterländischen Glockenkunde
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https://doi.org/10.11588/diglit.16252#0054
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Glockenanschaffungeil ist nirgends davon
die Rede, daß das Stift zum Guß von
Glockeil noch vorhandenes Metall dazu
gegeben habe.

Erst iul Jahre 1655 geht das Stift
au die Beschaffung eines neuen Ge-
läutes, muß sich aber wegen seiner be-
drängten Finanzlage vorerst mit bem An-
kauf einer einzigen Glocke von Glocken-
gießer Klaudius Rosier von Rotten-
bnrg a. N. begnügen. Dieser Klaudius
Röster gehört der bekannten lothringischen
Glockengießerfamilie Röster an, die um
die Mitte und in der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts zahlreiche Glocken in
Süddentschland gegossen hat. Im Jahre
1649 z. B. gossen Honorat Rosier,
Johannes Denorge, Johannes und Klnu-
dius Rosier 4 Glocken für die Kirche
(jetzigen Dom) in Rottenburg. 1692
lieferten Klaudius und Johannes Röster
11 Glocken für die Klosterkirche in Ober-
in archtal, darunter eine mit 99 Zent-
nern, 1694 gossen Johannes Rosier und
Joseph Jullien 4 Glockeil für Wiesen-
steig, 1697 Johannes, Peter und Klnu-
dius Rosier 4 Glocken für Rottweil,
1700 Klaudius, Nikolaus und Johannes
de Rosier die Glocken für Kirchheim
ll. Teck. Die Glocke, die das Stift im
Jahre 1655 von Klaudius Rosier kaufte,
wog 12 Zentner. Der Vertrag zwischen
ihm und denl Stift lalltet:

„Wir Dechant, Senior und gemain Capital
des Kellegiat S. Cyriaci Sliffts zuo Wiesenstaig
bekennen hiemit, daß wir de>n Herrn Claudio
Rosier, Glockengießer von Rottenburg am Neckher
ein Gloggen, welche zu Ulni liegt und zwöls
Zentner hält, den Zentner per 38 fl., tut 456 fl.
abkaufft haben. Sollen und wollen uff den
Herbst dieses 1655 Jahr 100 fl.: Jteui künftigen
Früeling Anno 1656 wieder 100 fl.,: und uff
den Früeling Anno 1657 wieder 100 fl. bezahlen.
Und dann das letzte Ziel 156 fl. uff den Herbst
Anno 1657 oder uff den Früeling Anno 1658
mit großem Dankh gäntzlich entrichten. Zur
Bekrafftigung dieses Alles haben Wir Unseres
Stiffts geivohnliches Sigill hier für getruckt.

Geschehen den 22. Juny Anno Christi 1655."

Daß das Stift die Bezahlung von
456 fl. ans 4 Zieler verteilen mußte, ist
auch ein Beweis für die damalige große
Armut des sonst so reichen Stifts.

Unl diese Zeit nlnß noch eine weitere
kleine Glocke angeschafft wordeil sein, denn
inl Jahr 1668 wird bem Glockengießer
Theodosius Ernst in Uhu gegen

eine neue Glocke ein altes Glöckchen mit
198 Pfund draugegeben. Diese neue
wog 2 Zeutner. Sie ist noch v o r h a n d e ll
und hat die Inschrift: „Maria Gottes
Celle, liehm in dein Hnth, was ich er-
schelle. Theodosius Ernst goß mich tu
Ulm anno 1688.

Am 23. Juli 1687 faudeu im Gottes-
haus Söfliugeu Verhaudlungeu zwi-
scheil bem Stift und Theodosius Ernst
statt zwecks Lieferung eines Geläutes von
4 Glocken. Theodosius Ernst will ein
„musikalisch Geläut" liefern, erste Glocke
2 Zentner, zweite 4 Zentner, dritte
8 Zentner, vierte 16 Zentner. Ein Ver-
trag kanl nicht zustande, vielmehr lvurde
die Lieferung des neuen großen Geläuts
dem schon obengenailuten Rosier über-
tragen, und zwar trotz aller Bemühnngen
des Theodosius Ernst, der sich ziveimal
schriftlich an das Stlft lvandte. Diese
Schreiben sind noch erhalten mtb
sind auch eüt Beweis, wie der G e s ch äfts-
ueid ailch damals schon seine Blüten
getrieben hat.

Unterm 15. September 1688
s chreib t T h eo d o siu s Erll st au den
Stiftsdekau Johann Suter wie
folgt:

„Ehrwürdiger, hoch- und wohlgelehrter
Herr Dechauk!

Ich kauu nicht unterlassen, den Herrn mit
diesem Schreiben zu bemühen, hoffe nicht, daß
es mir der Herr im Argen aufnehmeu soll. Da
ich es nicht verbergen kann, daß der, wer seine
Arbeit mit großem Fleiß gelernt uns wohl be-
stehen mochte, daß man ihm doch nicht glaubt
noch Glauben gibt, ein anderer aber, der fein
Sach nur mit Pfuschen und Fr ölten ge-
lernt und kein einiges Fundament, dennoch eher
hervorgezogen wird, ob der redlich handeln will,
da ich mich nicht genugsam verwundern kann,
daß man die La u d l ö ffe r zu O b e rmarcbthal
mag die Glocken gießen lassen, da sie doch nimmer-
mehr zuwege bringen können, daß ein Geläut
recht sollte zusammenstimmen; man frage nach
dem schönen Geläut, das sie vor einem Jahr in
Wetten Hausen (bei Güuzburg) gegossen, wie
schöir es zusammeustimmt, daß Gott zu erbarmen.
Ich hätte nicht genug gewußt, ivie ich Fleiß an-
gelegt hätte, wenn ich die Arbeit bekomme, und
das will ich einem bevoraus versprechen, daß
man maine Glock umb eine Stunde weiter Hütte
hören sollen. Nun man frage nach im ganzen
Land, ob sie irgeudivo eine Glocken von 30 Ztr.
schwer gegossen haben, die so gut im Resonanz
als die von Oepffingen, welche 19 ce hält,
und kann man sie nicht genug rühmen, wer sie
 
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