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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 30.1912

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Nr. 6
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Beßler, Josef: Die Kanzeln Toskanas aus dem 12. und 13. Jahrhundert, [1]: kunstgeschichtliche Studie
DOI Artikel:
Baur, Ludwig: Ueber den Bau und die Ausstattung katholischer Kirchen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16252#0064

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55

rolle geschrieben, lautet: Rgredictsur)
Virga de Radice Jesse.

In der rechten Ecke steht Moses mit
einem byzantinischen Nanchmantel. Gesicht
und Arm sind ziemlich verstümmelt. Ans
dem Spruchband, das er mit beiden
Händen horizontal hält, stehen die Worte
aus Deut 18, 15 geschrieben: Prophetam
suscitabit vobis Dominus.

Die untere Figur konnte ich nicht be-
stimmen. Die jugendliche bartlose Gestalt
hält das Spruchband wie eine Harfe
in die Höhe. Auf demselberr stehen die
Worte: Cum venerit Sanctus Sancto-
rum ces — es wurde nun ergänzt von
einem Kopenhagener Gelehrten: cessabit
unctio, und gesagt, die Stelle finde sich
bei Daniel 9, 26. Das ist aber eine
Täuschung. Eine Anfrage an den der-
zeitigen rector ecclesiae in S. Leo-
nardo, wie die Worte ganz genau gelesen
werden, blieb leider ohne Erfolg. Es
wäre denkbar, daß es sich um eine zu-
sammenfassende Wiedergabe des Sinnes
des Danielstelle 9, 24—27 handelt. Ver-
gleichen wir dieses Relief mit denen von
Groppoli, so zeigt sich ein recht bemerkens-
werter Fortschritt. Das Rohe und
Plumpe von jener Kanzel finden wir in
diesem Relief nicht. Es ist aber gleich
zu sagen, daß nicht alle Reliefe in
S. Leonardo aus der gleichen Höhe stehen.
Aehnlich schön und gut wie der Stamm-
baum ist das zweite Relief: Die Ge-
burt E h r i st i. (Forts, folgt.)

Ueber den Bau und die Aus-
stattung katholischer Kirchen.

Von Professor L. B a u r.

(Schluß.)

Dazu komnrt noch ein zweites, das
ich so formulieren möchte: wir stecken uns
das Ziel von vornherein nicht hoch genug,
sondern sind allzu bald zufrieden, wenn
nur denr größten Bedürfnis etwas abge-
holfen ist und der Vau den dringendsten
Anforderungen Genüge tut. — Ein drittes
kommt in Betracht. In manchen Fällen
sind wir vielleicht etwas zu ungeduldig und
können zu wenig warten. Haben wir
glücklich unsere 50 000 oder 100 000 Mark
beisammen, so meinen wir: jetzt sei die
Zeit zum Bauen gekommen. Die Alten

machten es nicht so. Da kann nichts wirklich
Bedeutendes heranskommen. Und doch
baut man Kirchen für Jahrhunderte. Sie
sind ei:: religiöser und künstlerischer Gruß
unserer Zeit an künftige Geschlechter.
Selbstverständlich muß auch ein Unter-
schied gemacht werden hinsichtlich der
Dringlichkeit des Baues und der peku-
niären Lage. ■— Ich kenne eine verhältnis-
mäßig kleine katholische Gemeinde tu der
Schweiz, sie mag nach meiner Schätzung
etwa 1500—2000 Seelen, durchweg ein-
fache Leute in bescheidenen Verhältnissen
zählen, die eben ein Gotteshaus von
erfreulichster Schönheit herstellt, etwa mit
beit Preis von 450 000 Frauken. Dar-
unter befindet sich ein Ausgabeposten von
60 000 Franken für Ausmalung der
Kirche mit Freskogemälden. Dieses hoch-
erfreuliche Resultat konnte nur dadurch
erzielt werden, daß man sich, solange es
ging, mit den bescheidenen bisherigen
Verhältnissen begnügte und so lange
drauf los sparte, bis mau den Kirchenbau
plus einer wirklich künstlerisch wertvollen
Ausschmückung in Aussicht nehmen konnte,
allerdings, indem man einen Teil der
Bausnmme ans die künftigen Geschlechter
abwälzte. Der Unterschied liegt meines
Erachtens in der Methode, insofern man
im einen Falle die malerische Aus-
schmückung von vornherein in Aussicht
nimmt und in Rechnung setzt, und so
lange die Aufgabe des Banprogramms
nicht als erledigt erachtet, bis auch jene
durchgeführt ist, im anderen Falle geht
man von der Meinung aus, das Bau-
programm sei erledigt, wenn der Van
selbst fertig, der Architekt mit mehr oder
weniger freudigen Gefühlen verabschiedet
und die Juuenausstattuug in den aller-
uotweudigsteu Stücken beigebracht ist.
Dann atmet man erleichtert auf und ist
mit sich selbst außerordentlich zufrieden.
Ob die Kirche malerischen Schmuck erhält
oder nicht, oder welcher Art dieser ein-
mal sein werde, darüber zerbricht mau
sich den Kopf nicht. -— Das dürfte nicht
das Nichtige sein. Eine neue Kirche soll
künstlerisch in allen Teilen vollkommen sein.
Und eine katholische Kirche verlangt, um
die nötige Wärme, um nicht zu sagen,
das religiöse Heimatsgefühl in uns wach
zu rufen, auch entsprechenden malerischen
 
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