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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 30.1912

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Nr. 7
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Beßler, Josef: Die Kanzeln Toskanas aus dem 12. und 13. Jahrhundert, [2]: kunstgeschichtliche Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.16252#0070

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Organ des Nollendnrger Z)iöze>an-KnnitvereinS.

kferausgeqebeu und redigiert von Universitäts-Professor Dr. £. 23aur in Tübingen.
Liqentum des Rottenburger Diözesan-Kuustvereius;

Kommissions-Verlag und Druck der Uktien-Gesellschaft „Deutsches Volksblatt" in Stuttgart.

Jährlich 12 Nummern. Preis durch die Post halbjährlich M. 2.25 ohne
p r >-» Bestellgeld. Durch den Buchhandel sowie direkt von der Verlagshandlnng
^ ^ Akt.-Ges. „Deutsches Volksblatt" in Stuttgart pro Jahr M. 4.50. ' '

Die Kanzeln Toskanas ans dem
\2. und 13. Jahrhundert.

Kunstgeschichtliche Studie von I. Beßler.

(Fortsetzung.)

Hier fällt uns der Fortschritt gegen
Groppoli noch mehr in die Angen. Maria
hat nicht mehr den mnmienartigen Cha-
rakter wie dort, wo sie wie tot ans einer
Matratze liegt. Sie erscheint vielmehr
emanzipiert von den alten Formen, erin-
nert aber an den Typus der Juno ans den
römischen Sarkophagen, während der Fal-
tenwurf und die Stellung uns byzantinisch
annlnten. Sie hat sich zur Hälfte er-
hoben und streckt ihren Arm mit mütter-
lichem Gefühl gegen die Krippe aus, wo
das Jesuskind liegt. In der allerdings
noch etwas unbeholfenen Gebärde scheint
auch ein Hinweis auf das Wunder und
eine Einladung zur Anbetung zu liegen.
In die Krippe schauen von oben Ochs und
Esel, von denen nur der Kopf sichtbar ist.
Oben sieht man den Stern in eingelegter
Arbeit zierlicher als in Groppoli und da-
neben sechs Engelchen bis zur halben
Brusthöhe ans einer schematischen Zeich-
nung von Wolken. Ans der Seite sitzt
St. Joseph gedankenvoll nicht auf einem
Hügel, wie Schmarsow meint, sondern ans
einer gestoppten Matratze, mit Mantel
und Tunika bekleidet. Das Haupt stützt
er mit der rechten Hand, und der Arm
stützt sich auf das Knie. Die Füße schließen
sich unten zusammen. Die Figur ist
wohlgelungen und sticht ganz wesentlich
ab von der in Groppoli. Nach Giglieli
stammt diese Figur von einem späteren
und geschickteren Meister. Das bisher

besprochene Bild füllt den oberen Teil
des Reliefs. Unten sehen wir sonst zu-
meist die Bndeszene, so in Groppoli, Vnrga,
Pistoia, Pisa und Siena. Hier fehlt sie.
Dafür sehen wir eine sehr gut gelungene,
ziemlich naturgetreue Darstellung der
Verkündigung an die Hirten. Namentlich
gut ist der nach Art einer heidnischen
Siegesgöttin daherschwebende Engel mit
wenig fliegendem, vielmehr straff anliegen-
dem Gewände. Nach seiner Modellierung
übertrifft er die anderen Figuren. Er
trägt die Sprnchrolle mit den Worten:
Ego annuntio. Wegen Raummangels
fehlen die Worte: Gaudium magnum.
Die Botschaft des Engels vernehmen drei
Hirten, ein älterer, bärtiger, der ganz er-
griffen auf seinen Stab sich lehnt; zu
seinen Füßen der treue Hund; er trägt
eine Art phrygische Mütze. Die anderen
sind nicht, wie Schmarsow meint, singende
Engel, sondern auch Hirten, von denen
der eine die Saiten eines Instrumentes
schlägt. Der zweite sitzt ans einem Stein
und bläst das Horn. Schmarsow sagt,
daß in diesem Bild trotz aller Roheit
der Rest einer byzantinischen Idylle ftihl-
bar sei. Es kommt hier doch wohl der
biblische Charakter noch mehr zum Aus-
druck als in Groppoli. Die sechs Engel-
chen oben und der Stern, und unten der
schwebende Engel mit dein Spruchband er-
heben die Darstellung doch hinaus über
eine Idylle. Wir verspüren ganz gut
die religiöse erhabene Weihe der heiligen
Nacht. Hinter oder neben einer ziemlich
realistisch gezeichneten Palme sehen wir
sehr primitiv den Schafstall dargestellt,
ans dem die Tiere herauskommen. Es
 
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