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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 30.1912

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Nr. 7
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Beßler, Josef: Die Kanzeln Toskanas aus dem 12. und 13. Jahrhundert, [2]: kunstgeschichtliche Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.16252#0072

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Taufakt dargestellt ist und nicht wie dieser
meint, das Heraussteigen Jesu aus dein
Jordan nach der Taufe. Der Täufer,
welcher auf einen Vorsprung des Ufers
hinaufgestiegeu ist, ist im Begriff, Jesus
zu taufen. Er hat allerdings seine Hand
fast hingelegt auf das Haupt Christi, der
noch im Jordan steht. Aber mir scheint
er etwas in der Hand zu halten, wohl
die Taufschale. Der Heiland mit einem
ganz elenden und schlecht proportionierten
Körper zeigt im Gesicht doch einen gervissen
Ausdruck. In dem Heiligenschein wird
er getroffen von dem Heiligen Geist, der
in der Gestalt einer Taube herabschwebt
und auch rroch durch die links und rechts
angebrachten Buchstaben SP'SSC'S be-
zeichnet ist. Johannes trägt einen Nock
von Fellen (Kamelhaaren); hinter ihrn ist
eine ziemlich wohlgeluugene Palnre mit
knotenreichem Stamm gezeichnet. Auf der
rechter! Seite komrueu zrvei dienende Engel
über- statt nebeneinander (Mangel der
Perspektive) in ruerkwürdiger Verkürzung,
wie dies auch bei Joannes zu bemerken ist,
mit den Kleidungsstücken heran. Der un-
tere Engel ist, abgesehen von der Ver-
kitt zung, recht hübsch. Die Beivegung des
Wassers ist durch die Wellenlinien mar-
kieit. Unten stellen die Worte: Hic est
filius irrerrs düectus. Alle Figuren ha-
ben den Heiligenschein. Um das ganze
Relief zieht sich ein schwarz und rveißer
Ornamentstreifen.

6. Relief: Abnahrue Jesu vorn
Kreuze

ist das beste und schönste Relief an der
Kanzel. Wegen seiner Schönheit verdient
es eine eingehendere Besprechung. Was
uns an demselben tvohlluend auffällt, im
Gegensatz zu den zuletzt besprochenen Bil-
dern, ist einmal die mehr ungezwungene
Modellierung, sodann der dramatische
Ausdruck. Ter freister ist nach der An-
sicht Gigliolis absoluter Herr seines Gegen-
standes, tlud wenn auch kein fehlerfreier
Modellatenr, so ist er sich doch beivitßt
der Wirkungen, welche seine Werke im
Herzen des Beobachters hervorbringeu
rnüssen. Giglioli stellt ihn sogar über
Guido Bigarelli, den Meister der Kanzel
in S. Bartolomeo in Pastano in der
Stadt Pistoja. Er tut dies j'densalls

mit Bezug auf die Figur des Nikodemus,
welche allerdings weitaus die beste au der
Kanzel ist und kaunr ihresgleichen hat an
der Kanzel des Gnido Bigarelli. Be-
trachten wir nun das Relief im eiu-
zeliteu. —

Maria nimmt mit beiden Händen den
losgelösten rechten Arm ihres Sohnes
und bedeckt ihn mit Küssen; Johannes,
der Liebesjünger, ruacht es auf der anderen
Seite des Krenzes ebenso. Joseph von
Arimathäa ist aus einer Leiter zuiu Kreuze
hinaufgestiegeu, unr den Leichriam Jesn,
der schon an den Handelt vom Kreuze
losgelöst ist, auszunehmen. Ist auch die
Figur des Joseph nicht frei von Pro-
portioussehleru, so ist doch die Bewegung
derselben ganz natürlich. Der Bildhauer
hat au der Wirklichkeit studiert. Joseph
lehnt sein Haupt an die Brust des ent-
seelten Heilandes, der ganz matt und
schlaff, aber nicht steif auf ihn herabfällt.
Die beste Figilr ist, wie schon oben gesagt
wurde, die des Nikodemus, der unten in
der rechten Ecke die Nägel aus den Füßen
Jesll herauszieht. Mit Recht sagt Giglioli,
daß diese Gestalt so realistisch wieder-
gegebeu ist, daß sie den Geist der Ne-
uaissance vorherfühlen läßt. Die Pro-
portionen dieser Figur sind tadellos ge-
wahrt. Mit denl rechten Fuß stützt sich
Nikodemus au den Erohaufeu, in welchem
das Kren; steht, mit dem linken Fuß,
der zurückgebeugt ist, au einen Stein.
So kann er ohne Gefahr zu fallen die
ganze Kraft anwenden, um mit der Zange
den Nagel herauszuziehen. Zwischen
beiden Füßen steht eine runde Kiste, rvelche
rie heiligen Nägel ausnehmen soll. Ueber
den Ariuen des Kreuzes, das eingelegt
ist und das Monogramm IHS trägt,
sind zwei Engel bis zur Brust abgebildet
ruit Flügeln, deren Federn gut ausgearbeitet
und naturgetreu sind. Sie gestikulieren
zum Ausdruck ihrer plötzlichen Erregung
über die Todesangst, und einer schwingt
den Saunt seines Kleides ivie ein Rauch-
faß. Am schlechtesten gelungen von allen
Figuren ist die Mariens, namentlich was
die Füße betrifft. Das ganze Relief nach
seiner Manier erinnert an das der Geburt;
insbesondere sind der verküitdende Engel
und Nikodemus nahe miteinander ver-
wandt in bezug auf die Modellierung
 
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