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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 30.1912

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Nr. 9
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Beßler, Josef: Die Kanzeln Toskanas aus dem 12. und 13. Jahrhundert, [4]: kunstgeschichtliche Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.16252#0099

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90

1. G e bu > t Christi mit Verkiin-
d i g u u g.

Nach Kuhn (S. 487) ist dieses Bild
„die vorzüglichste Leistung als Komposition
und iu der Technik des Reliefs". Aber
gleich diese erste Darstellung verrät die
starke, fast direkte Anlehnung Niccolos au
die Antike. Maria hat nämlich das Aus-
sehen einer thronenden Inno, welche in
erhabener Ruhe und Majestät auf ihrem
Lager rrrht. Nach Bnrkhardt ist die Figur
Mariens nichts anderes als das Porträt
einer Matrone auf einer etruskischen
Aschenkiste. Es ist aber eher anzunehmen,
daß in Maria die Phädra vonr Phädra-
sarkophag im Kamposanto kopiert ist.
Vergebens suchen wir etwas Mütler-
liches und Zärtliches, Jungfräuliches und
Vergöttlichendes in
ihren Zügen. Sie
schaut, wie um sich
bewundern znlassen,
hinaus in die weite
Leere und hat keinen
mütterlichen Blick
für das über ihr in
der Krippe liegende
Jesuskind, das von
Ochs und Esel be-
schnuppert wird.

Unten rechts stehen
nebeneinander drei
Schafe, gewisser-
inaßen als Basis für
das Triclininm,
dann noch drei Ziegenböcke. Unten
in der Mitte findet sich die unvermeid-
liche Badeszene; das Jesuskind ist
recht niedlich und sein gearbeitet, leider
fehlt der Kops, wie überhaupt dieses
Relief viele Verstümmlungen anfwelst.
Der älteren Schaffnerin fehlt der rechte
Arm, gleichivohl ist diese Szene recht
schön. Unten links sitzt der hl. Joseph
mit einem rechten Jndengesicht. Oben
links ist die Verkündigung dargeftellt,
leider auch verstümmelt. Der rechte Arin
des Engels ist nicht ganz. An der selig-
sten Jungfrau können wir nichts entdecken
von der demntsvoll bescheidenen Magd
des Herrn; vielmehr mutet aucl; diese
Figur uns an wie eine antike Gestalt.
Im großen und ganzen aber ist diese Dar-
stellung der Verkündigung sehr gut ge-

lungen. Vor allem ist der Ausdruck,
den der Künstler in das Antlitz Mariens
hineingelegt hat, hervorzuheben. Als
erster verstand Niccolo es, den Wider-
streit der auf die Jungfrau einstürmen-
den, sich widerstreitenden Gedanken und
Empfindungen darznstellen, und zwar mit
gewaltiger Kraft. Das Zurückweichen
Mariens vor dem Engel ist in diesen:
Znsantmenhang aufzufassen: sie erschrickt
vor dem ungewöhnlichen Gruß und der
alles irdische Denken weit übersteigenden
Botschaft.

2. Anbetung der Könige.

Es ist eine herrliche Szene, deren Ein-
heitlichkeit und Harmonie durch keine an-
derebNebenszene beeinträchtigt wird. Am
wenigsten kann al-
lerdings wieder
Maria befriedigen,
die ihren Juno-
charakter beibehält.
Der bescheidene Jo-
seph wird von der
Riesenjnngfran
ganz in den Hinter-
grund gedrängt, so
daß er sich kaum
bewegen kann. Da-
gegen sind die drei
Könige vorzüglich
gelungen. Der äl-
teste reicht kniend
seine Gabe dem
Jesuskind, das sie liebevoll annimmt.
Maria, die das Jesuskind, an den: der
dicke Kopf anffällt, ans dem Schoß hat,
sieht eigenartigerweise nicht auf den an-
betenden König herab. Der Zweitälteste
König kniet hinter dem ersten, während der
jüngste bartlose steht. Alle drei haben
ihre Angen voll Sehnsucht und Ehrfurcht
auf das Jesuskind gerichtet. Prächtig
sind die in der linken Ecke stehenden
Rosse; hier zeigt sich der ausgeprägte Natur-
sinn Niccolos in hellstem Lichte. Die zwei
oberen, welche oben nebeneinander stehen,
lassen nur Kops und vordere Brust sehen.
Das dritte, ganz naturgetreu dargestellt,
senkt seinen Kopf nach unten, um Futter
zu suchen, und hebt den linken Vorder -
first. Statt des Sternes sehen wir zwi-
schen den: jüngsten König und Maria den

Niccolo Pisano, Verkündigung und Geburt.

(Mit gütiger Erlaubnis des Verlags von Herder aus F. 2c.
Kraus. Geschichte der christlichen Kunst II, 2, 92.)
 
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