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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 30.1912

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Nr. 9
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Beßler, Josef: Die Kanzeln Toskanas aus dem 12. und 13. Jahrhundert, [4]: kunstgeschichtliche Studie
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Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.16252#0100

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91

weisenden Engel. Wohl finden wir im
Kamposauto das antike Stück, welches
dem Meister für diese Pferde zum Vor-
bilo diente: es ist die bacchische Vase. Da-
durch wird aber der Ruhm Niccolos, wel-
cher so gut von den Alten zu lernen ver-
stand und das, was er von ihnen herüber-
genommcu, von wahrem Leben durch-
drungen darzustelleu wußte, keineswegs
geschmälert.

Nach Burkhardt hat Niccolo in diesem
Bild die Phädra intb Amme vom Phädra-
sarkophag im Kamposauto zu Pisa
kopiert und sie in die Maria niib
Anna bei der Anbetung umgewaudelt.
Das ist nicht richtig; bei der Anbetung
findet sich keine Anna, sondern die Mutter
Gottes ist die einzige weibliche Figur.
Die Phädra ist viel-
mehr bei der „Ge-
burt" kopiert sver-
gleiche oben).

3. Darstellung
Jesu im Tempel.

Es steht an
Schönheit und guter
Erhaltung dem eben
besprochenen nach.

Auch ist es auffal-
lend, daß die Haupt-
Handlung nicht in
die Mitte des Fel-
des, sondern mehr
gegen die linkeWand
hin verlegt ist. Allerdings gewinnt das ganze
Bild dadurch an Lebhaftigkeit und Natürlich-
keit und verliert den einförmigen, durch die
allzu genaue Symmetrie bedingten Cha-
rakter (vergl. im Gegensatz dazu die Er-
scheinung Jesu au Ostern und den uu-
glänbigen Thomas an der Kanzel Guidos
da Como). Maria hat hier von ihrem
Junocharakter etwas abgestreist imb er-
scheint natürlicher und menschlicher.
Hinter ihr steht Joseph mit einem etwas
grinsenden Angesicht; er trägt die Opfer-
gabe, die zwei Taubeu, unverhüllt. Vor-
züglich der Natur abgelauscht ist der hin-
ter Joseph stehende Mann, von dem man
aber nur den Kopf sieht. Doch wie spre-
chend ist dieser Kops! Mau meint,
511 sehen, wie dieser Neugierige sich aus
die Zehen stellt, wie er seinen Kopf

Niccolo Pisano,

(Mit gütiger Erlaubnis de-
Kraus, Geschichte der ch

emporreckt, unr über Maria und Joseph
hinweg die denkwürdige Handlung und
wohl vor allem das göttliche Kind zu
sehen. Es ist dieser Kopf eine Pracht-
leistung Niccolos. Gut ist auch Simeon,
namentlich verraten die Falten seines
Mautels das Studium der Natur. Er
hält voll heiliger Ehrfurcht das göttliche
Kind, das ihm Maria übergeben. Im
Hintergrund sehen Engel der Opferhand-
lung zu; über ihnen die Zacken und Zinnen
des Tempels. Hinter oder neben Simeon
sehen wir noch eine größere Zahl von Per-
sonen, sechs im ganzen, von denen uns be-
sonders der Hohepriester mit feinem wallen-
den Bart und faltenreichen Gewand auf-
fällt. Er ist rlus ein alter Bekannter,
denn im Kamposanto steht das Original,
und zwar ist es der
Bacchuspriester aus
der sogenannten
Ikaros-Vase da-
selbst. Neben dem
Hohepriester steht
eine kleine iveibliche
Figur, die zu ihm
hiuaufgreift, wie
um ihn in den Tem-
pel zu führen. Es
ist allenl Anschein
dieProphetinAnna.
Ihre lebhaften Ge-
sten sollen wie an
anderen Kanzeln die
prophetische Jnspi-
j ratiou allsdrücken. Im Gegensatz zu ben
früheren Darstellungen der Opferung, wo
nur vier Personen anftraten, habeli wir
hier zlliu ersteumal eine größere Zahl,
im ganzen zehn. Der neue Stil will die
Szene festlicher imb feierlicher gestalten.

(Fortsetzung folgt.)

Literatur.

L e i s ch i ir g, Julius. D i e W e g e der
Kunst. Mit 133 Abbildungen und 1 Far-
bentafel. Preis geb. 4 Kr. 80 H. — 4 M.
Wien, Leipzig. Tempsky, Freytag. 1911.
Ein neues Hilfsmittel der Kunsterziehung für
Lehrer und Schüler hat auf Verlangen der öster-
reichischen Lehrerschaft Julius Leisching, der Di-
rettor des Erzherzog-Nainer-Museums für Kunst
und Gewerbe in Brünn, in diesem handlichen,
reich illustrierten Buch von 148 Seiten geschaffen.
Auf dem Wege geschichtlicher Bildung, im engsten
Anschluß an die Vergangenheit will er künst-

Darstellung im Tempel.

Verlags von Herber aus F. 2i
ristlichen Kunst, II, 2, 92.)
 
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