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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 30.1912

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Nr. 10
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Beßler, Josef: Die Kanzeln Toskanas aus dem 12. und 13. Jahrhundert, [5]: kunstgeschichtliche Studie
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Die Grabdenkmäler der Herren von Speth aus drei Jahrhunderten in der Pfarrkirche zu Zwiefaltendorf, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16252#0107

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98

im Nachen und unter sich zwei kleine
Löwen, welche sie sängt. Einer dieser
kleinen Löwen hat den abgerissenen Kopf
des Schafes int Maul. Ihr gegenüber
eine Löwin mit zwei fangenden Jungen,
von denen das zur Löwin ansschanende
besonders gut gelungen ist. Der Löwe
gegen Norden zerreißt eine Hirschkuh oder
Gazelle, der nach Süden ein junges Pferd.
Die Mittelsäule ruht auf einer Basis,
welche umgebeu ist von acht weiblicheil
Figuren. Es sind das allegorische Dar-
stellungen der freien Künste lind Wissen-
schaften und verdienen insofern besondere
Beachtung, weil hier znnl erstelunal in
der Plastik des Mittelalters diese Dar-
stellung sich findet. Die Palette und
Harfe, welche zwei dieser guten Figuren
tragen, weisen auf die freien Künste
Hill. Eine derselben, mit einem langen
(priesterlichen) Gewand bekleidet, trägt ein
Füllhorn in der Hand, eine dritte ein
Blich, eine vierte unterrichtet ein Kind.
Eigenartig ist die achte Gestalt, welche
anfivärts schallt und ans einen runden
Gegenstand hinweist.

Die Kapitäle haben korinthische Forni,
sind aber noch reicher im Detail, als in
Pisa. Wir sehen z. B. in beu Blättern
Vögel sich himmeln und in die Blätter
beißen. Meistens sind je vier Paare an
jedem Kapitäl. Besondeie Beachtung ver-
dient das Kapitäl an der Säule nach
Westen; neben den Vögeln sehen mir noch
vier Köpfe angebracht, zivei lachende, einen
ernsten und einen iveinenden (vielleicht die
vier Temperamente?).

Auf den Kapitälen stehen weibliche Fi-
guren, allegorische Darstellungen der Tu-
genden: so die Hossnnng, erkenntlich an
dem Spruchband: spes est certa exspec-
tatio, die Stärke, welche einen gebändig-
ten Löwen niederhält, der Glaube oder
die Anbetung, welche ein Weihranchgefäß
(ein Schiffchen) hält. Eine derselben trägt
ein Füllhorn, wohl die Liebe, Güte oder
Barmherzigkeit. Die Fignreil silid oben
an den Schultern von zwei Engeln flan-
kiert, mit Ausnahme der zwei all der
Eingangswand in die Kanzel befindlichen.

Lübke sagt über diese allegorischen Fi-
guren : „In den Einzelgestalten der Tu-
genden, Künste und Wissenschaften ist die
Schönheit antiker Anffassnng mit der

Innigkeit christlichen Gefühls nlehrmals
zu seelenvollem Ausdruck verschmolzeu"
(S. 451).

In den Zwickeln des Dreipasses, der
sich zwischen zwei Säulen hinschwingt,
sind liegende oder sitzende Figuren ange-
bracht, unter denen die vier Evangelisten
an ihren Symbolen kenntlich sind. Die
übrigen sollen ivohl Propheten darstellen;
einer mit lvallendeur Haar und der Königs-
krone ist vielleicht David. Die zwei oder
drei weiblichen Figuren unter diesen Ge-
stalten dürften wohl die Sibyllen dar-
stellen. lieber dem dreifach gegliederten
Fries (1. Zahnschnilt, 2. Blätterornament,
3. musivischer Streifen) zeigen sich uns
die acht Felder der Kanzel mit den be-
rühmten Neliefsdarstellungen.

(Fortsetzung folgt.)

Pie Grabdenkmäler der Herren
von Spetb aus drei Jahrhunderten
in der Pfarrkirche zu Iwiefaltendorf.

Von N. A. R.

(Fortsetzung.)

8.

Der chronologischen Anordnung willen
müssen wir den gotischen Chor verlassen
und in bem keine Spuren der Gotik
mehr verratenden Schiff die älteren Ne-
naissaucegrabmäler anfsnchen.

Ein im Vergleich zu den andern wenig
kunstvolles Epitaph ans der Epistelseite
zeigt uns primitiv in roten Sandstein
gehauen das Bildnis einer Frau mit
großer Halskrause, weltlichem Franen-
gewand des 16. Jahrhunderts, den Rosen-
kranz in den gefalteten Händen. Von
der unter den Bankreihen zum Teil ganz
zerstörten Inschrift ist noch zu lesen:
Anno domini MDXXXIII auf Thoina
Martins den XXVIII tag decembris
starb die edel und tugentreich Fraw Agata
Gertrud (?) Spatiu, geborene von Landen-
berg. . . . Der lieben fraw . . . ein
frewliche Auferstehung genediglich verleihen
melle Amen. Links unten ist das Spethsche
Wappen, rechts das Neippergische. Die
Volksüberlieferung hält diese Edelfrau für
die Aebtissin des Frauenklosters Zwie-
falten ans dem Zollernhause und die
Stifterin des großen Jahrtags. Jedoch
Kleidung und Chronologie des Epitaphs
 
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