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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 30.1912

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Nr. 11
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Beßler, Josef: Die Kanzeln Toskanas aus dem 12. und 13. Jahrhundert, [6]: kunstgeschichtliche Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.16252#0121

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112

und dritten Relief steht Maria mit dem
Kind, eine sehr schöne Figur; Faltenwurf
und Haltung verraten den gotischen Stil.
Zwischen dem dritten uub vierten Relief
sehen wir zwei Engel und über ihnen
einen dritten. Es folgt zwischen dem vierten
und fünften Relief die Figur Christi, über
ihm ein Adler (?) und eine ausgestreckte
Hand. Vielleicht können wir eine An-
deutung der Taufe im Jordan oder des
Geheimnisses der allerheiligsten Drei-
faltigkeit (Taube statt Adler) erblicken.
Zwischen dem fünften und sechsten steht ein
großer Engel, über ihm der Adler, welcher
das Puls trägt. Die sechste ltub siebte
Platte (Darstellung des Weltgerichtes)
wird getrennt durch die thronende Fignr
des Weltenrichters. Endlich steht au der
Ecke der siebten Platte ein Engel des
Gerichts, über dem ein anderer Engel
sichtbar ist. Die obere Brüstung der
Kanzel ist ähnlich der unteren Einfassung
der Reliefs, nur folgen die einzelnen Teile
in umgekehrter Ordnung ans einander. i
Auch fehlt der musivische Streifen. Der
Aufgang zur Kgiizel stammt ans späterer
Zeit, 1543, und wir kennen auch den
Meister: Lnigi Riccio.

Nach Kraus II p. 93 „ist der geistige Ge- !
halt der Bilder dieser Sienenser Kanzel
höher zu werten als der von den Bildern
der Pisaner. In Siena haben Niccolos Ge-
stalten das 'Herbe und Spröde und die
Kälte der römischen Vorwürfe verloren. i
Sie sind natürlicher, lebendiger, beweg-
licher uub in ihrem Verhalten zutraulicher."
Die Auffassung ist lebensvoller, die Szenerie
reicher, die Abhängigkeit von der Antike
nicht mehr so auffallend. Es gelingt dem
Künstler immer mehr, die entlehnten Ge-
stalten mit christlichem Gehalt zu füllen.
Auch in Beobachtung der Natur und ihrer
getreueren Nachbildung ist ein Fortschritt
zu konstatieren.

3. Die Kanzel des Fra G u g l i e l m o

bell’ Agnello i n der Kirche

S. Giovanni Fnori Civitas zu
P i st o i a.

Bevor wir den bedeutendsten Schüler

Niccolos, seinen Sohn Giovanni in seinem
Hauptwerk, der Kanzel in St. Andrea zu

Pistoia, betrachten, müssen wir eines an-
deren Schülers Niccolos gedenken, der
ebenfalls ein herrliches Werk in Pistoia
geschaffen hat: Fra Gnglielmo dell' Ag-
nello aus Pisa (ca. von 1238 bis nach l 313).
Er ist verschieden von dem hervorragend-
sten Gehilfen Niccolos an der Kanzel von
Siena: Arnolfo di Cambio (1232 geboren,
ch 1301 oder 1302). Dieser letztere schuf
vor allem Grabdenkniäler, so das des
Kardinals de Braye (f 1282) in S. Do-
menico zu Orvieto und wohl anch das
Grabmal Bonisatius VIII. in St. Peter;
anch das berühmte Tabernakel in S. Paolo
Fnori le mura zu Rone stammt uoit
seiner geschickten Hand. Dagegen besitzen
mir keine Kanzel, die von ihm allein her-
rührt. Der zweite Schüler Niccolos aber:
Fra Gnglielmo bell3 * S. * 7 Agnello hat uns in
der Kanzel der Kirche S. Giovanni Fnori
Civitas in Pistoia ein bedeutsames Werk
hinterlassen.

Die Kanzel, vierseitig und an die Wand
gelehnt, ruht vorn auf zwei Säulen, die
auf Löwen stehen, von diesen hat der
östliche ein Lamm, der westliche eine Ziege
unter sich liegen. An der Wand ruht
sie ans zwei ans tragenden Männern
gebildeten Konsolen. Die Kapiläle der
Säulen sind ähnlich denen von Siena,
das östliche hat ein Blaltornament, wäh-
rend das westliche reiche Tierornamente
(Vögel) anfweist.

Das Monument stand anfänglich in
dein Presbyterium nahe der Sakristei;
später (ca. 1778) wurde es an die süd-
liche Wand gestellt. Unter der Kanzel
befindet sich der Sakramentsaltar.

Das wichtigste an der Kanzel sind auch
hier die Reliefs, welche sich folgender-
maßen verteilen. Ans der Seite gegen
das Presbyterium hin befinden sich auf
den zwei durch Pilaster getrennten Feldern
nur zwei Reliefs. Das erste Feld zeigt keine
Skulpturen, sondern ist nur durch einge-
legte Streifen verziert. Im zweiten Feld da-
gegen haben wir zwei wohlgelnngene Re-
liefs. Oben: Mariä Verkündigung und
Mariä Heimsuchung, und unten die An-
betung der drei Könige.

(Fortsetzung folgt.)

StuitLart. Buchbruckrrel der Alt.-Ges. „Deutsches Volksblatt".
 
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