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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 31.1913

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Nr. 2
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Die Grabdenkmäler der Herren von Speth aus drei Jahrhunderten in der Pfarrkirche zu Zwiefaltendorf, [7]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16253#0027
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20

knieend, vom Hals bis zum Fuß ge-
rüstet, trägt der Freiherr Panzer, Arm-
nnd Beinschienen,Sporen,die bisins kleinste
Detail in Stein sorgfältig ausgeführt sind,
lieber die linke Schnlter hängt eine Kette,
vielleicht analog dem fast gleichzeitigen
Kenotaph des Hans Christoph von Horn-
stein in der Pfarrkirche zn Grüningen,
OA. Niedlingen, mit dem hier nicht sicht-
baren Medaillon versehen; zur Linken
hängt das lange Schwert mit einfachem
Knauf. Der Schmuck des Hauptes, Helnr
mit hoher Helmzier und Spethschenr Wap-
peu, ruht in der rechten Ecke, darunter
die übereinandergelegten derben Fausthand-
schuhe. Halskrause zeigt die Diode des
16. und 17. Jahrhunderts. Beachtens-
wert dürfte nach der oben mitgeteilten
biographischen Notiz die Beobachtung sein,
die ein Vergleich der Wappen in der
linken und rechten oberen Ecke bietet. Das
linke ist das Spetsche Wappen mit den
drei Schlüsseln, der rechte Wappenschild ist
ganz glatt gelassen, wohl eine Art dam-
natio memoriae der von ihm verstoßenen
Gemahlin.

Vergoldet ist an diese»! Epitaph die
Inschrift an Gott Vater (sitzend 82 cm
hoch). Die Spitzen der dreifach gespal-
tenen Krone und die Spange am Mantel
über der Brust, am Kruzifixus, dessen
Kreuz 82 cm in der Länge mißt, das
Lendeninch an seinen Enden; am Ritter
die Säume des Gewands und der Rü-
stung, Schwertspitze, Knauf, Ketten nnd
Niemenwerk, Schnallen; auch an Helm und
Helmzier die Einfassungen.

Von besonderer Bedeutung ist neben
dem Nitterporträt und seiner Datierung
ein drittes Moinent an diese»! Monu-
nient: das ikonographische. Den Haupt-
ranm außer der Ritlerfigur nimmt in der
anderen Hälfte der rechteckigen Nische eine
eigenartige Darstellung der hl. Drei-
faltigkeit ein. In der kurzen Auf-
zählung der Denkmäler von Zwiefalten-
dorf in Württenlbergs Kirchliche Kunst-
altertümer und im Königreich Württem-
berg (Donaukreis) ist auch unser Monument
kurz aufgeführt; neben der chronologischen
falschen Angabe 1646 statt 1615 wird
die figürliche Darstellung bestinnnt mit
den Worten: „Wilhelm Dietrich, gewal-
tige Ritterfignr, vor Gottvater mit dem

Kreuz knieend I." Wer die Entstehung
und Entwicklung der merkwürdigen Tri-
nitätsabbildungen, des sog. „Gnaden-
stnhls" verfolgt, der erinnert sich bei un-
serem Epitaph sofort an jene Vereinigung
zweier fundamentalster Geheimnisse un-
serer christlichen Religion: Dreifaltigkeit
und Erlösung, die ja den Inbegriff des
ganzen christlichen Glaubens bilden. Gott
Vater in menschlicher Gestalt, rneist mit
weitern Mantel und Herrscherkrone dar-
gestellt, Christus als Gekreuzigter vom
Vater auf der» Schoß gehalten, der Hei-
lige Geist in Gestalt einer Taube auf den
Schultern des Vaters, oder über dem
oberen Krenzesbalken zwischen dem Mund
der ersten und der» Haupt der zweiten
göttlichen Person, oder endlich auch über
dem Haupt des Weltenschöpfers ange-
bracht, das ist jene sinnige Darstellung
des religiösen Doppelgeheimnisses, die seit
dein 12. Jahrhundert vorkommt. Aru
häufigsten begegnen wir ihr im Renais-
sancezeitalter, nicht selten ans Grabdenk-
urälern, deren Sanunlnng und Aufzeich-
nung in Wort und Bild ich seit Jahren
ans weiten Wegen mir angelegen sein
lasse, um einmal nach Sichtung des ge-
samten Materials auf die Wurzel dieser
ikonographische» Idee vorzndringen.

Allgemein bekannt ist die höchste Entfal-
tung dieser Blüte des Trinitätstypus in dein
sog.Allerheiligenbild von Alb re ch t D ürer,
einem Kleinod des Kunsthistorischen Hof-
Ulnsenms zn Wien. Jin Mittelpunkt des
„neuen Jerusalems", der Heiligen des
Himmels, thront die heiligste Dreifaltig-
keit in göttlich niajestätischer Ruhe. Gott
Vater hält mit feierlich ausgebreiteten
Armen Christus, das Lamm, das getötet
ward (Apok. 5, 6). lieber dem Haupt
des thronenden Vaters schwebt die Taube,
der Heilige Geist. Und gleichzeitig mit
diesem Meisterwerk der Kaiserlichen Ge-
mäldegalerie in Wien schuf Dürer 1511
das vielleicht vollendetste Blatt unter seinen
Holzschnitten, in dem er ebenfalls den sog.
Gnadenstuhl als passendste Form zur Ein-
kleidung tiefster religiöser Gedanken ge-
wühlt hat. Nur hat der Meister im
Unterschied vom Wiener Gemälde ans
de»! Holzschnittblatt Gott Vater mit der

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