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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 31.1913

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Nr. 2
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Die Grabdenkmäler der Herren von Speth aus drei Jahrhunderten in der Pfarrkirche zu Zwiefaltendorf, [7]
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Beßler, Josef: Die Kanzeln Toskanas aus dem 12. und 13. Jahrhundert, [9]: kunstgeschichtliche Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.16253#0028

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21

päpstlichen Tiara geschmückt uitb statt des
Kruzifixus ihm den toten Sohn ohne
Kreuzesstamm in die Arme und ans den
Schoß gegeben. Dafür halten Engel zn
beiden Seiten die Leidenswerkzenge, ähn-
lich wie arif einem anderen Zwiefalten-
dorfer Grabdenkmal. „Man weiß nicht,
was man mehr bewundern soll, das un-
endlich huldvolle, milde, wahrhaft väter-
liche Antlitz des mit der päpstlichen Tiara
gekrönten Gottes des Vaters, der mit so
zarter Liebe den Leichnam des Sohnes
hält und all sich drückt, oder die Gestalt
des toten Heilandes. Mit seinen schlaffen,
vom Tode gelösten Gliedern, mit dem
Antlitz, auf bem das Leben, nicht aber
der süße Ausdruck der Erlöserliebe ge-
storben ist, liegt er wirklich als ein
Schlachtopfer der Liebe in des Vaters
Armen. Dienend und die Leidenswerk-
zenge haltend, schweben zn beiden Seiten
himmlische Geister und geben ihrem Schmerz
und ihrer Bewunderung Ausdruck. Wenn
es je einem Künstler gelungen ist, die
tiöstliche Wahrheit von Gottes unaus-
sprechlichem Erbarmen in sinnenfällige
Form zu kleiden, daun hat Dürer diese
Aufgabe, die zu den höchsten der christ-
lichen Knust gehört, in diesem grandiosen
Blatt gelöst." x)

Wie eine sichere Reminiszenz an jene
Meisterwerke des Gnadenstuhls präsentiert
sich unser Grabrelief von Zwiesaltendors.
Auch hier thront Gott Vater mit der
Krone und weitein Faltenmantel angetan,
in den weitansgespannten Armen den ge-
kreuzigten Sohn auf dem Schoß haltend.
Ganz eigenen tig ist auf unserem Bild das
Thronen über den Wolken angedentet.
Vier Halbkreislinien wölben sich über der
Milte des Epitaphs, auf denen die Gruppe
in majestätischer Ruhe schwebt. Eines
anderen Mittels hat sich der gestaltnngs-
müchtigere deutsche Raffael bedient, das
dem Plastiker versagt war. Im Aller-
heiligenbild sind die Wolken des Him-
mels mit vollendeter Meisterschaft gemalt,
auf dem Holzschnitt von 1511 verwendet
er neben den wenigen Konturen die Spm-
bole der vier Winde, vier windschnaubende
Köpfe, an.

(Schluß folgt.)

b Dnmrich, Albrecht Dürer, S. 43.

Die Kanzeln Toskanas aus dem
\2. und \5. Jahrhundert.

Kuiistgeschichtliche Studie vou I. Beßler.

(Fortsetzung.)

5. Relief: Das Weltgericht. —
Der Richter in erhabener Majestät thront
auf dem Kreuz, über dessen Querbalken
nur der Schwamm emporragt. Rechts
vou Christus sind die Gerechten, zn denen
er hinüberschant, links die Verdammten,
die er von sich weist. Zn oberst auf der
rechten Seite sind wohl die Apostel, aller-
dings nur sechs, dargestellt; links die
Engel, welche die Verdannnten abweisen.
Auch hier scheint wie in Siena das Feg-
fener noch angedentet durch den trösten-
den Engel. Ein Auferstandener fleht mit
aufgehobenen Händen den Engel an; weiter
oben streichelt ein Engel einen Anferstan«
denen. Unten links der Teufel und seine
Genossen, welche die Verdammten peini-
gen. In der mittleren Reihe ans der
rechten Seite sehen wir die Gerechten, die
zum Himmel emporblicken; unter ihnen

fällt eine Königin ans, welche aber wohl
nicht Maria sein dürfte. Denn diese

sollte doch eigentlich ihren Platz in der
obersten Reihe unmittelbar neben Christus
haben. Es folgen Bischöfe und Mönche.
Die unterste Reihe zeigt die Anferstan-
denen, die sich eben von ihren Gräbern
erheben. Ganz eigenartig ist der kleine
Mann, der, aus seinem Grabstein sitzend,
mit zurückgebengtem Kopf starr zum Kreuz
und Richter emporschant. Reben dem

Kreuz stehen zwei Engel in erhabener

Ruhe.

Diese Szene ist an der Kanzel des
Riccolo im Dom zu Siena auf zwei
Reliefs verteilt und wirkt dementsprechend
wuchtiger und gewaltiger. Hier ist das
Weltgericht auf einer Platte dargestellt,
ohne aber von seiner Wucht und
Dramatik etwas zu verlieren, und es
scheint mir, wegen der besser bewahrten
und dargestellten Einheit und Zusammen-
gehörigkeit hier fast besser zu wirken als
dort in Siena. Die einzelne Platte soll
doch immer etwas in sich Abgeschlossenes
darstellen, und die Figuren, welche die
einzelnen Reliefs abgrenzen und viel
besser heraustreten, sind besser nicht mit
 
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