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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 31.1913

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Nr. 3
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Pfeffer, Albert: Die frühromanische Holzdecke von Balingen, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16253#0033

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26

(ursprünglich vielleicht eine Helle metal-
lische Farbe, Zinnober oder Kobalt?).
Für Fleisch verwendet der Maler Weiß
und höht es mit Caput mortuum, für
Kleider Weiß, Gelo, Braun, Not; für den
Nimbus des Engels Blauschmarz, für
Flügel Braun. Die Farben sind wohl mit
Tempera gemischt; an den schwarzen Um-
rißlinien und an wenigen Stellen hat man
den Eindruck, als ob die Farben mit
einer harzigen Flüssigkeit gemischt wären.
Die nngenüschte Behandlung itnb Auftra-
gung der Farben findet sich aus bem Ge-
richtsbild von Reichenau-Oberzell (Vor-
halle), in Burgfelden und Reichenau-Nie-
derzell. Gerade der Umstand, daß die
Farben ungemischt anfgelragen wurden
und die Skala der Farben sehr reduziert
ist, ist mit eine Ursache der flächigen Wir-
kung, der jede plastische Illusion fehlt.
Man hat das Empfinden, daß die Szenen
nicht voll der Decke herailstreten, sondern
in der Fläche der Decke bleiben und im
Verein mit der ornamentalen Bordüre
eine allsgezeichnete dekorative Wirkung er-
geben.

4. K ll n st g e s ch i ch t l i ch e S t e l l u n g.

Sollen die Malereien der Valinger
Decke in die kunstgeschichtliche Entwicklung
eingereiht werden, so gibt ihr Verhältnis
zu beu Burgselder Malereien und bem
Apsidalbild von Niederzell wertvolle Fin-
gerzeige. Die Verwandtschaft mit erfteren
ist eine sehr große. Die Komposition der
Szeneli, die ähnliche Auffassung des mensch-
lichen Körpers, die lebhafte Bewegung,
das Kostüm und gewisse Einzelheiten der
Gewandbehandlulig, die Einteilung des
Malgrundes in Farbzonen, der ganze
Geist und die stilistische Behandlung der
Bilder weisen beit Balinger Fragmenten
einen Platz in nächster Nähe des Burg-
felder Zyklus an. Die Entstehungszeit
dürfte freilich um ein gutes Menschen-
alter jünger sein als bei dem Burgselder
Zyklus. So sehr der Maler der Ba-
linger Decke noch in beit Traditionen der
Schule bezüglich Komposition, Körperauf-
fassung, Darstellung der Bewegung und
maltechnischem Können steckt, so geht doch
sein nettes Empfinden, seine frische Form-
auffasfilng, sein Sitlll und Auge für Be-
wegllng und Belebtuig über das Stadium

der Kunstentwicklung von Burgfelden hin-
aus. Mall hat das Empfinden, daß in
den Balinger Bildern noch mehr als in den
Burgfeldern eine neue Periode der Knnst-
entwicklutig anhebt, die auf den Schnl-
tern der durch die Reichenau vermittelten
Antike steht, daß in die veräußerlichten und
abgelebteil Formen und Schemen frisches,
gesundes lind nliverbrauchtes Blilt imb
individuelles Leben hineingeleitet ist und
damit eine nette nationale nordische Kunst
eingeleitet wird.

Ebenso groß ist die Verwandtschaft mit
der Majestas-Donlini-Darstellung in der
Apside voll Reichenau-Niederzell. Die
Balillger Decke hat damit genteinsam die
Streisenhintergründe, die schlanketl über-
höhten Gestalten (ähnlich wie in Burg-
felden, nw sie ziliil erstenmal auftreten),
die großeil silhonettenartigen Umrisse der
Personell, die laligen und dünnen Filiger,
die schlanken, überaus mageren Füße, die
fließenden Gewänder mit Dem Schlängel-
saum der Unterkleider imb den spiraligen
seitlichen Säumen der Mäntel (die beiden
letzteren Motive finden sich auch in Burg-
felden). Auf dem Niederzeller Bild werden
kobaltartiges Hellblau, helles Grün, Ocker,
warmes, leuchtendes Not, Schwarz lind
Weiß als Malfarben benützt. Alle diese
(und sollst keine anbereit) Farben finden
sich auch im Balinger Bild mit Ausnahme
der hellell Blatt und Grütt; letzteres findet
sich in der ornamentalen Umrahmung der
Balinger Passionsszenen, wo es wie eine
spätere Zutat erscheint. Hier wie dort ist die
Palette des Malers gegenüber den älteren
Reichenauer Bildern außerordentlich be-
schränkt. Hier und in Niederzell finden sich
die parallelen Gewandfalten mit den
eiförmigen und keilförmigen Zwischetlfalten,
sind die Gewatldkolltliren mit hellell Par-
allellinien eingefaßt. Die Weise der Kom-
position nlld die Körperanffassnng ist außer-
ordentlich verwatldt in beiden Zyklen. Ich
finde die Balinger Decke ltoch freier und
gewandter behatldelt als das Bild von
Niederzell. Ich möchte die Balinger Decke
ltur ulil das eilte oder aridere Jahrzehnt
jünger haltetl als die Niederzeller Malereien.

Wenn wir liach weiteren Verwalidten
der Balinger Bilder uns umsehen, so
kommen irr der weiteren Umgebung die
romanischen Wandmalereien von Alpirs-
 
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