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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 31.1913

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Nr. 3
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Beßler, Josef: Die Kanzeln Toskanas aus dem 12. und 13. Jahrhundert, [10]: kunstgeschichtliche Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.16253#0036

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schöne gotische Arkaden angedeutet. Das
Land Aegypten wird durch eine Palme
veranschaulicht.

4. Relief: Der Kindermord zu Beth-
lehem mit Herodes.

Das 5. Relief bringt etwas Neues:
Jesus verraten durch den Judaskuß, Miß-
handlung des Heilandes und andere
Szenen aus der Passion. Der Verrat
des Judas dürfte wohl das merkwürdigste
Relief sein. Wir sehen hieraus, wie die
Kunst ihr Gebiet immer mehr erweitert
und neue Stoffe behandelt.

6. Relief: Jesus am Kreuz; auch
hier sind die beiden Schächer dargestellt
wie in Pistoia. Die Anordnung ist sonst
die gleiche. Eine Erweiterung liegt nur
in der Darstellung des Hauptmanns, der
zu Roß zrr sitzen scheint.

7. Relief: Der Aufstieg der gerechten
Seelen zur himmlischen Glorie. Diese
Darstellung ist schlecht erhalten; Christus
kaum zu sehen. Es wäre also, wenn
Fleury (p. 67) recht hat, nur die Licht-
seite des Weltgerichts dargestellt.

Die Säulen werden nicht wie in St.
Andrea zu Pistoia durch den spitzbogigen
Dreipaß, sondern wie im Baptisterio durch
Kleeblattbogen verbunden. In den Zwik-
keln sitzen oder liegen Propheten und
Patriarchen; auf den reichen Kapitellen
wie oben zwischen den Reliefs stehen ein-
zelne Figuren oder Figurengruppen, die
rch aber nicht näher bestimmen konnte.

Die Skulpturen waren einst bemalt, vor
allem die großen tragenden Figuren. So
trug die allegorische Figur der Stadt
Pisa eine rote Tunika, einen blauen Man-
tel und eine goldene Krone.

Einige Ueberreste dieser prachtvollen
Kanzel sind an der jetzigen Kanzel im
Dom zu sehen; nur schade, daß sie au
der Stiege gar nicht zur Geltung kom-
men.

Es sind dieselben Gesichter und Stel-
lungen wie in St. Andrea: Propheten
und Evangelisten, im ganzen 16, meist in
liegender Haltung wie in den Zwickeln
der Kanzel in St. Andrea und Museo
civico. Die sonderbare Figur von der
Kanzel zu St. Andrea finden wir oben
an der Brüstung der jetzigen Domkanzel
in Pisa auch wieder: sie steht aus Üu- ;

gelier (Löwen und anderen Tieren) unb
hat oben drei kleinere Köpfe zur Seite.

Auf dem unteren Rand, der die Reliefs
einfaßt, lesen wir nach Vasari folgende
Verse:

Laudo Deum verum, per quemsunt
optima rerum,

Qui dedit has puras homini formare
figuras.

Hoc opus his annis Domini sculpsere
Johannis

Arte manus sole quondam natique
Nicole

Cursis undenis trecentum milleque
plenis

(Fleury p. 67).

Vergleichen wir diese Kanzel mit der
in St. Andrea zu Pistoia, so müssen wir
sagen, daß, obwohl sie an Reichtuiu^und
Größe jene übertrifft, sie ihr doch nicht
gleichkommt an vornehmer Ruhe, Har-
nrouie und Schönheit derjeinzeluen Ge-
stalten unb Reliefs. Soweit ich nach
den Photographien urteilen konnte, steht
die Pisauer Kanzel ziemlich weit hin-
ter der von Pistoia zrrrück. Sie ver-
rät eben mehr die Flüchtigkeit der Arbeit
und die Hand der Gesellen, wenn sie auch
eine reichere Fülle vorr Gedanken dar-
bietet.

*

Das sind also die zwei Hauptwerke
des Giovanni Pisano. Er entfaltete aber
auch sonst noch als Bildhauer eine rege
Tätigkeit. Verschiedene Madounenstatuen
und Grabluoliumeute stammen von seiner
bezw. seiner Schüler Hand. Doch geben
gerade jene Kanzeln wohl aur besten und
klarsten seine Eigenart wieder. Diese hat
Schmarsorv trefflich geschildert in den
Worteil (p. 147 und 148): „Bei Gio-
vanni verliefen sich alle Züge, beleben sich
innerlich alle Beziehungen und steigert sich
das Ganze zu hochgradiger Erregung.
Alle Ruhe der Personen ist vergessen, alle
Schönheit der Formen wie des Angesichts
geopfert, nur der Ausdruck dessen, was
die Seele bewegt, wird hervorgetriebeu
und wirksanr auch beiu Betrachter zu Ge-
müt geführt. Durchgeheuds sind die Ge-
stalten in kleiirerenr Maßstab gegeben,
 
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