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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 31.1913

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Nr. 6
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Rohr, Ignaz: Die Deutsche Kunstausstellung Baden-Baden 1913
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https://doi.org/10.11588/diglit.16253#0072

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61

berg gar nicht zn reden. Der Gesamt-
eindruck wird dadurch allerdings etwas
unruhig und buntscheckig, entspricht aber
so recht der deutschen Jndividnalitäts-
srendigkeit. Es ist sicher kein Fehler, daß
unsere Künstler sich nicht veranlaßt fühlen,
alles, was sich überhaupt dem Auge dar-
bietet, durch ein und dieselbe Brille zu
sehen und nach demselben Schema zu
malen. Die Natur ist ja auch anders an
der Wasserkante als am Alpenrande, an-
ders ans den Höhen des Schwarzwaldes
und der Vogesen, als in den Ebenen des
Niederrheins oder der unteren Elbe. Anders
ist auch das Temperament des Künstlers
und des Beschauers in: Süden als im
Norden, anders im Westen als im Osten.

Ihre besondere Note bekommt die heurige
Veranstaltung durch eine Sonderausstellung
Thomas. Sie ist nicht nur lokal der Ab-
schluß, sondern auch ein stilles und be-
lebendes Herz-rnh-aus nach all den Plei-
nair-, Symbol-, Impression-, Natural- und
einigen anderen „Ismen". Die Hänge-
kouimissson war in der angenehmen Lage,
ihr einen eigenen, geschlossenen Raum zu-
weisen zn können, und ermöglicht es da-
durch dem Beschauer, sich ungestört und
rückhaltlos ihrem Gesantteindruck hinzu-
geben. Auch sonst hat sie sich ihrer
nicht immer leichten und dankbaren Aus-
gabe fast durchweg mit Geschick entledigt.
Trübners Prometheus, dessen Art einer
längst überwundenen Entwicklungsphase
des Künstlers und der Kunst überhaupt
angehört, hat seinen Platz anl Treppen-
aufgang, wo nur wenige Werke modernster
Art seinen Eindruck stören. Arbeiten wie
Liebermanns „Reiter" (306), Georg Scholz'
„Bildnis" (330), Artur Kampss „Rote
Schleise" (311) sinv auf Feruwirkuug
berechnet, versagen also in einem kleinen
Raum. Wer dagegen Liebermanns Bild
von der Treppenrampe, also der entgegen-
gesetzten Seite aus betrachtet, der glaubt,
im nächsten Augenblick müßte das Pferd
ausgreifen und einer der Wellenkämme
sich heranwälzen. Oder wer das entgegen-
gesetzt hängende Scholzsche Porträt vom
Standort des Liebermannschen Bildes aus
ansieht, der wird sich der Wirkung des
Titanischen, Weltstürmenden nicht entziehen
können, das in demselben liegt. Was
von der Nähe betrachtet von vielen als,

„Schmiererei" abgetan wird, das ist ihm
zum Knustwerk geworden uud hat ihu
mindestens von einigen Vorurteilen gegen
den Impressionismus geheilt. Allerdings
ist Liebermann einer der Tüchtigsten, wo
nicht der Tüchtigste auf diesem Gebiete.
Andere bleiben verschwommen oder gar
verworren, ob man sie uon nahe oder
von ferne betrachtet. Ein drastisches Bei-
spiel hiefür bietet das „Blumenstück" und
die „Dame in gelbem Stuhl" vou Coriuth
(304 uud 308). Sie zählen stofflich viel-
leicht zum „Zahmsten", was der Künstler
überhaupt dargestellt, bieten also zu Aus-
stellungen materieller Art wenig Anlaß.
Wenn aber selbst ein Bewunderer des
Künstlers sie „unsauber uud salopp ge-
malt" findet, so hat ein gewöhnliches
Menschenkind umsomehr Recht zu einem
bedenklichen Kopfschütteln. Doch wird er
die hier auffallende Flüchtigkeit einiger-
maßen begreiflich finden, wenn ihm der-
selbe Bewunderer verrät, daß Coriuth auf
etwa ein Vierteltauseud vou Werken zurück-
blickeu kann. Und der Künstler ist ja
eben erst in die besten Mannesjahre ein-
gerückt. Wer seine Liebhabereien einiger-
maßen kennt, der wird ihn sicher als Antor
erwarten bei Nr. 399 (Susanna), einem
„reichlich selten Franenakt in starker Be-
leuchtung", mit einem „grausen Stelldich-
ein greller Töne auf dem Fleische". Die
Farben- und Beleuchtnngseffekte sind dem
Künstler sichtlich die Hauptsache; soust hätte
ec das Gesicht, das für gewöhnlich doch
das Beste am Menschen ist, nicht so flüchtig
behandeln dürfen, daß man es eigentlich
erst suchen muß. „Schauderhaft" lautete
ein Prädikat, das in meiner Gegenwart
fiel. Hätte das Bild den Titel „Akt",
so wäre ihm ein Teil der Entrüstung er-
spart geblieben. Und hätte es der Künstler
überhaupt der Oeffentlichkeit vorenthalten,
so hätte er noch besser getan. Denn die
„eminente Beobachtungsgabe", die einer
der mildesten Zensoren darin bekundet sieht,
hat er zur Genüge an seinen anderen
Werken bewiesen. Der Urheber ist Pro-
fessor Haueisen.

Aus einem ähnlichen Grunde können
wir uns nicht begeistern für Adolf Hölzels
„Beweinig" (Christi, Nr. 19). Geschick
in der Komposition mag zugegeben werden;
aber die Konturen sind flüchtig, die Farben
 
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