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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 31.1913

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Nr. 7
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Baur, Ludwig: Tempelmaße, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16253#0077

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66

Es fehlte freilich auch nicht au Wider-
spruch. Dieser ging nicht nur aus von
subjektivistischeu Aesthetikprinzipien, die
grundsätzlich alle Verstandes- und zahlen-
mäßig seststellbareuProportioilsgesetze, über-
haupt alle objektiven Schönheitsnormen
ausschließen. Er kam auch von anderer
Seite: Die mannigfach verunglückten und
oft künstlichen Versuche, bestimmte geo-
metrische Grundgesetze der religiösen Ar-
chitektur uachzuweiseu, hatten ein gewisses
Mißtrauen wachgerufeu, das von vorn-
herein weitere Untersuchungen in dieser
Hinsicht für ergebnislos ansah, oder min-
destens von vornherein ihnen mit den
stärksten Zweifeln begegnete, die nicht zur
Weiterforschnng in dieser Richtung er-
mutigten. Anderseits hatten andere, da-
runter hervorragende Forscher wie Drach,
Pfeifer, zum Teil andere Konstruktions-
gesetze Nachweisen zu können geglaubt.
In der Tat erhob besonders F. X. P s e i f e r,
der das Proportionsgesetz des
g o l d e n e n S ch u i t t e s als durchgreifen-
des Gesetz betrachtete, Widerspruch gegen
die Hypothese des P. Odilo Wolfs. —
Was Pfeifer und Wolfs verband, war
der beiden gemeinsame Gedanke, für
den sakralen Bau ein zum Bauwerk
selbst gehöriges Gr und maß zu suchen,
und aus diesem die übrigen rationell ab-
zuleiten. Auch darin stimmten beide noch
überein, daß beide dieses Grundmaß in
einem Quadrate gefunden zuhaben glaubten,
Pfeifer im Vierungsquadrat des Kölner
Domes, Wolfs (für den Tempel in Jeru-
salem) in dem Quadrat, welches im Vor-
hof des Salomonischen Tempels der
Brandopferaltar einschließlich der Stufen
bedeckte. — Aber in seinen Berechnungen
glaubte Pfeifer, freilich zu Unrecht, nicht
unbedeutende Fehler Nachweisen zu
können st, so daß er seine Kritik in die
Worte znsammenfaßte: „Gemäß den bis-
herigen Elörternngeu ist mein Urteil über
Wolffs nlathematisch-architektonischeu Ver-
such dieses: die Annahme, daß das

Quadrat des Braudopferaltars das Gruud-
maß sei, aus welchen! die anderen Maße
sich mathematisch entwickeln lassen, ist au

') Histor.-pol. Bl. 100 (1887) 867 ff. — Dazu
die Entgegnung des P. Ovilo Wolfs ebendas.
S. 959 ff. zeigt, daß Pfeifer feine Klitik aus eine
ganz unzutreffende Voraussetzung aufgebaut hatte.

sich eine geistreiche Hypothese; aber die
Begründung und Durchführung desselben
im Detail enthält so bedeutende Unrichtig-
keiten in den Maßbestinnnungen, daß die-
selbe in gegenwärtiger Form nicht als
verifiziert bezeichnet werden kann. Es
ist jedoch die Möglichkeit, jene
Hypothese ailf andere und exak-
tere Weise z u rechtfertigen, nicht
ausgeschlossen."

P. Wolfs wies auf die unrichtige
Voraussetzung hin, von welcher Pfeifer
bei seiner Kritik ausgegangeu war, und
hielt seinen Hauptsatz aufrecht. Allein er
hat doch inzwischen neue Untersuchungen
über den Tenipel zu Jerlisalem angestellt
und verspricht, seine neue Rekonstruktion
in Bälde der Oeffentlichkeit zu unterbreiten ch.

Nun veröffentlicht P. Odilo Wolfs
unter dem Titel „Tempelmaße" das Re-
sultat vieljähriger, schwieriger, peinlicher
und minutiöser Studien über das Pro-
portionsgesetz antiker und altchristlicher
Sakralbauten. In diesem hochbedeutsameu
Werke will P. Odilo Wolfs „das Ge-
setz der Proportionalität als eines der
Urgesetze der alten Baukunst erweisen und
damit einen Einblick in das Wesen der
Kunst ermöglichen; er will dies innerste
und tiefste Gesetz der Schönheit, das den
alten Bauten jenes adelige Gepräge
der Ordnung, des Ebenmaßes, der Klar-
heit gegeben, enthülleil und es in ganz
konkreter Forur zu fassen suchen; er will
das Zauberwort zu dem entzückenden und
tausendfach aus der so bewunderten Welt
der alten Architektur aus uus einströmenven,
aber nicht verstandenen Reize bieten.

Er beschränkt sich darauf, sein Propor-
tionsgesetz, das auf dein doppelten gleich-
seitigen Dreieck im Hexagramm beruht,
in derArchitektur nachzuweisen.Außer
Betracht bleiben die Gebiloe der freien
N a t u r selbst, der Plastik und Malere i,
endlich die Musik. Auch innerhalb der
Architektur sind es die sakralen vorchrist-
lichen Bauwerke des alten Griechen-
lands, Aegyptens und N o m s, die
altchristlichen Basiliken Noms und die
Kirchen der romanischen Banperiode

st Tempelmaße S. 121. Eine Probe dieser
Rekonstruktion fügte er bereits seinem neuen
Werke bei.
 
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