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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 31.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.16253#0087

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76

weis führen, daß in St. Gallen in dem kurzen
Zeitraum von 50 Jahren sich eine Stilentwicklung
von einer Reichhaltigkeit und Folgerichtigkeit voll-
zieht, daß sie einen typischen Wert gewinnt für
unsere Erkenntnis von Stilentwicklung überhaupt
und speziell für die Geschichte des frühen Mittel-
alters, das wir uns leicht stagnierend, oder nur
in größeren Zeitläufen beweglich vorstellen (Vor-
wort).

Der Folchart-Psalter ist eines der reichsten und
prachtvollsten Denkmäler deutscher Kunst (Waa-
gen), ein vollendetes und reifes Werk der karolingi-
schen Jnitialenkunst. Um ihn im richtigen Lichte
der Entwicklung zu zeigen, gibt der Verfasser
zunächst eine genaue Analyse der Jnitialenkunst
des Folchart-Kodex für sich allein betrachtet und
stellt genau die Kunstformen fest, mit denen der-
selbe arbeitet. — Daran schließt sich eine Unter-
suchung über die entwicklungsgeschichtliche Stel-
lung des Folchart-Psalters innerhalb des Ent-
wicklungsgangs der St. Galler Jnitialenkunst des
9. und beginnenden 10. Jahrhunderts, also der
karolingischen Zeit. Landsberger unterscheidet die
W o l f c oz -Gruppe, für die er 8 Kodices nam-
haft macht, als diejenige, welche die karolingische
Jnitialenkunst in St. Gallen einleitet. Ihr folgt
die F o l ch a r t - G r up p e mit 7 Handschriften,
deren Fortschritt gegenüber der ersteren der Ver-
fasser dahin zusammenfaßt: „Hier erkennt man,
wie sich das Unruhig-Vielfältige zur Ruhe, das Asy-
metrische zur Symmetrie, das Vertikal-Tendierende
zur Breite, das Abstrakte zum Lebendigen gewandelt
und schließlich die schöne Zeichnung sich zur
schönen Farbe gefügt hot, um jene vollendete
Harmonie zu schaffen, die ein Hauch des Klassi-
schen durchzieht" (S. 14). — Der Folchart-Gruppe
folgt dann die Sintrain-Gruppe (7 Kodices) mit
dem UsnUerium uureuin, die eine Fortentwick-
lung des Folchartstils darstellt und in ihrer Far-
bengebung über Gold, Silber und Mennig ge-
wöhnlich nicht hinausgeht; die Zahl der Einzel-
heiten ist gewachsen, ihre Sonderbetrachtung er-
schwert (23 f.).

In einem dritten Abschnitt sucht der Ver-
fasser die absolute Chronologie der St. Galler
Jnitinlenwerke herzustellen. In eingehenden
Untersuchungen stellt er, wie mir scheint mit Glück,
für die Wolfcog - Gruppe den dritten Wolscoz
(840—879) als Verfertiger fest. Für den
Folchart-Psalter stellt er die Zeit zwischen 855
bis 872 als Entstehuugszeit fest. Sehr sympa-

thisch ist die S. 31 ausgesprochene Vermutung,
daß der herrliche Psalter für die 867 ein-
gewcihte St. Ottmarskirche bestimmt gewesen sei.
Die erste Handschrift der Sintram - Gruppe
(cod. 562) ist frühestens 867 geschrieben, das
Evangelium longum endlich 890—920.

Es folgen noch zwei Abschnitte, in welchen
die Beziehungen der St. Galler Jnitialenschule
zu den anderen karolingischen Schulen, vorab zur
Schule von Reims, Tours, Metz und Corbie, be-
handelt werden und (im 5. Abschnitt) die Lita-
neibögen des Forchart-Psalters. Die erstere
Untersuchung hat zum Ergebnis, daß „mit den:
Aufstieg der St. Galler Schule zu der Höhe ihrer
Prachtwerke der direkte Anschluß an die fränki-
schen Kunstzentren, besonders an Reims, Tours
und Metz gewonnen ist. Von Reims entlehnt
man die zweifarbige Kolorierung der Buchstaben-
öffnung, von Tours die gai:ze und halbe Pal-
mette als Riemenabschluß, und die größeren Blatt-
ansätze des Riemenwerks, von Tours oder Metz
die Riemendornen und die Gabelungsringe" (37).
— Auch läßt sich ein Einfluß der St. Galler
Jnitialenkunst auf die von Bobbio und Monte-
cassino Nachweisen. — Für den letzteren Abschnitt
wäre unseres Erachtens ein genaueres Ein-
gehen auf die Kanonesbögen von Wert und
speziell mit der syrischen Buchmalerei ein Ver-
gleich wünschenswert gewesen. — Die Resultate,
die Or. Landsberger erzielte, sind unseres Er-
achtens wohl fundiert. Ausgefallen ist mir, daß
nirgends Bezug genommen ist auf Beissels
Untersuchungen über die Evangeliarien und deren
Resultate für die Jlluminatorenschulen. Wenig
nach dem Geschmack des Referenten ist auch das
Operieren mit so nichtssagenden modernen Feuil-
letonschlagwörtern wie „Stilwollen", „Kunst-
willen". Ich wenigstens kann nichts damit an-
fangen, weil sie mir zu leer und vag erscheinen.
Als Ganzes ist die Arbeit eine hoch erfreuliche
und für die Geschichte der deutschen Buchillumi-
nation wertvoll.

Ein uneingeschränktes Lob gebührt dem Ver-
lag, welcher das Werk aufs glänzendste ausgestattet
hat. 7 Tafelbilder (darunter 5 farbige) und
26 (eigentlich 50) Textabbildungen sind beigegeben.
Insbesondere die Farbenreproduktionen sind von
unübertrefflicher Schönheit und Treue. In dieser
Hinsicht dürfte das Allerbeste geleistet sein.

Tübingen. Prof. Dr. Ludwig Bau r.

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