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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 31.1913

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Nr. 8
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Osthoff, H.: Ein unbekanntes Christusbild
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Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.16253#0095

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84

hundert feilt zuverlässiges Porträt des
Herrn kannte, so darf doch bei den da-
maligen Zeit- und Verkehrsverhältnissen
nicht angenommen werden, daß Angnstinus
alle damaligen Bildnisse des Herrn —
auch das edesäische — gekannt hat, und
wenn dies der Fall gewesen sein sollte,
ob seine Entscheidung, die mehrere hun-
dert Jahre nach Christi Tod über die
Zuverlässigkeit des Porträts getroffen
wurde, auch als richtig anzusehen sein
wird. Das echte Abgarbild von Edessa
soll im Jahre 944 nach Konstantinopel
übertragen worden sein; es verschwand
daselbst nach der Eroberung Konstan-
tinopels im Jahre 1204. Vorher —
ivahrscheinlich im 8. oder 9. Jahrhundert
— hatte ein griechischer Maler den Christus-
kopf auf eine vergoldete Metallplatte
übertragen. Dieses Bild auf der Metall-
platte ist später in die Splvesterkirche in
Roin und alsdann in den Vatikan ge-
kommen. Ans der Zeit, während welcher
sich das Bild in der Sylvesterkirche be-
fand — Mitte des 16. Jahrhunderts —
entstammt unser Bild als künstlerisches
Meisterwerk jener Zeit, den Heiland mit
milden, hoheitsvollen Zügen darstellend,
der Inbegriff unbeschreiblicher Güte.

Unser Bild soll sich alsdann in einem
deutschen Kloster befunden haben, aber bei
der Säkularisation aus demselben ver-
schwunden sein. Vor etwa 8 Jahrzehnten
kam es ditrch Kauf in den Besitz des
jetzigen Eigentümers, von dem es in
hohen Ehren gehalten wird.

Kunstverständigen dürfte es wohl ge-
stattet werden, das Original in Augen-
schein zu nehmen.

Literatur.

Die Baukunst in ihrer Entwicklung von
der Urzeit bis zur Gegenwart von K. O.
Hartmann. Band II: Die Baukunst des
Mittelalters und der Renaissance, mit
377 Abbildungen. Leipzig (Scholtze) 1911.
Band III: Die Baukunst der Barock-
und der Neuzeit. Mit 318 Abbildungen.
Leipzig (Scholtze) 1911.

Wir haben dein ersten Band dieses sehr
schätzenswerten Werkes int Archiv 1911 Nr. 4 eine
Besprechung geividmet. Inzwischen hat der Ver-
fasser die zwei folgenden Bände in rascher Folge
beendet.

Der ziveite Band behandelt die Kunst des
Abendlandes nach der gewöhnlichen Einteilung
in romanische Bankunst (romanischer Kirchenbau
und romanischer Profanbau), gotische Baukunst
(gotischer Kirchenbau, Klosteranlagen, gotischer
Profanbau) und endlich Baukunst der Renaissance.
Hier ivird zweckmäßig nach Ländern geschieden.

Großer Wert ist auf die technische Seite ge-
legt. Der Verfasser sucht klar und verständlich
dem Leser die Gruitd- und Aufrisse, die Raum-
schöpsung, das dekorative System u. dgl. itäher
zu bringen. — Es ist ein Verdienst, daß er auch
den romanischen und gotischen Profanbauten
soivie jenen der Renaissance eine kurze Behand-
lung angedeiheit läßt.

Für die Charakterisierung der Baustile bedieitt
er sich in herkömmlicher Weise der architekto-
nischen Formen und Konstruktionsunterschiede.
Für eine etwaige zweite Auflage möge der Wunsch
gestattet sein, er möchte — was gerade für die
jungen Architekturbeflissenen und Techniker von
Wert wäre — auch auf die inneren Unter-
schiede eingehen, insbesondere auf den Pro-
portionsunterschied, der zwischen dem roma-
nischen und gotischen sowie den späteren Bau-
stilen besteht. Auf dem architektonischen Pro-
porlionsgesetz des Hexagramms beruhen, wie
JP. Odilo Wolfs O. S. B. in seinem sehr be-
achtenswerten Buch „Tempelmaße" an einer Reihe
von romanischen Bauwerken nachwies, die roma-
nischen Barwerhältnisse, während die Gotik daun
durchaus andere Maßverhältnisse hat.

Der dritte Band behandelt die Baukunst der
letzten drei Jahrhunderte, die Bauten der Barock-
und Rokokoepoche sowie des Neuklassizislnus, der
Neuromantik und Neurenaissance nrit ihrer groß-
artigen Raumbildung, dem Reichtum und der
Eleganz ihrer Innenarchitektur Die Einteilung
des Stoffes erfolgt wieder nach Ländern.

Die einzelnen Bauperioden werden jerveils ein-
geleitet durch allgemeine Uebersichteir, die arr sich
gut und dankenswert sind, aber im einzelnen
manche allgemeine Behauptung mitfiihren, die
noch etwas zurechtgestellt werden müßte.

Ein verdienstliches Kapitel über „Die Ent-
wicklung des modernen Stils" schließt das Garrze.
Für dasselbe fanden hauptsächlich Wagner und
Strzygowski Verwendung. Das gut geschriebene
Schriftchen von P. Kuhn über die moderne
Kunst scheint dem Verfasser entgangen zu sein.
Im übrigen ist auch hier seine Stellung eilte
sympathisch-gemäßigte. Er warnt mit Recht vor-
dem Ueberstürzten, Sprunghaften, Gewalttätigen,
Geschichtslosen und verweist mit guter Begrün-
dung auf das Studium der Geschichte der Archi-
tektur, um auch für die Zukunst die Kontinuität
zu wahren und eine kontinuierlich voranschreitende
Kunst zu sichern.

So stellt sich das Werk als ein sehr empfeh-
lenswertes Mittel des Architekturstudiums dar,
das zudem durch eine sehr stattliche Anzahl glück-
lich gewählter, sorgfältig reproduzierter Abbil-
dungen wesentlich unterstützt wird. Gute Re-
gister sind jedem Band beigegeben und erhöhen
die Brauchbarkeit des Buches.

Tübingen. L u d w i g B a u r.

Stuttgart, Buchdruckers, der Akt.-Ges. „Deutsches Volksblatt".
 
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