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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 31.1913

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Nr. 9
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Schermann, Max: Volkstümliche religiöse Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16253#0100

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89

der nach Albrecht Dürer wieder. Christus
und Maria sind am häufigsten dargestellt;
dann wohl Maria Magdalena, Petrus
mit dem Hahn, das den hl. Joseph be-
kränzende Jesuskind und die lange Reihe
der volkstümlichen Heiligen je nach den
örtlichen Gepflogenheiten. Meist handelt
es sich um Einzeldarstellungen; nicht gar
io häufig sind Gruppenbilder. Unter den
letzteren nehmen die Golgathaszene, Abend-
urahlsdarstellungen nach wohlerkennbaren
Vorbildern, hl. Familien, eine Beschnei-
dnngsszene, also meist Begebenheiten ans
deur Leben Jesu und Mariä, auch Drei-
faltigkeitsbilder den größten Raum ein.

Jin ganzen läßt sich aus der vor-
liegenden Sammlung entnehmen, daß die
Ausführung eine sehr primitive ist. Die
Zeichnung ist meist ungewandt; geringe
Kenntnis der Perspektive und Modellierung,
teilweise ungenaue Umrisse treten in die
Erscheinung. Die Farbengebung ist flächen-
haft, hart, oft unharmonisch. Dagegen
ist das Kolorit als solches immer leuch-
tend, zeitweise grell und schreiend. Trotz
dieser und anderer Mängel liegt in dem
Ausdruck fast aller Bilder etwas Packen-
des; die Seelenstimmung der dargestellten
Personen ist wohl erkennbar mib vielfach
täuschend wiedergegeben. So kommen
z. B. die Rene und der Schmerz der in
Tränen aufgelösten Magdalena, das Leid
der trauernden Mutter Christi, in anderen
Ruhe, Ergebenheit und Andacht in den
Zügen der Heiligen deutlich zum Aus-
druck. Ohne lange Reflexion eröffnet sich
dem schlichtesten Beschauer, was der Maler
des Volkes mit seiner Darstellung geben
wollte. Schon ob des seelischen Inhalts
sollte deshalb diese Bilderart gegen die
Mißachtung und Geringschätzung, die ihr
zeitweise widerfahren ist, gefeit fein. Die
Bilder gewähren, wo sie systematisch ge-
sammelt in abwechslungsreicherer Anzahl
sich dein prüfenden Beschauer dar-
stellen, einen Einblick besonders in das
Andachtsleben und das religiöse Empfinden
der Landbevölkerung früherer Zeitläufte.
Darum ist es sehr zu begrüßen, daß
neuerdings diese Zeugen aller Zeit hin
und wieder von Sammlern vor dem ihnen
leichter als anderen Kunstgegenständen
drohenden Untergang bewahrt bleiben.

Aber abgesehen voni stimmungsvollen,

[ religiösen Inhalt bieten die Bilder noch
Anlaß zu anderen Beobachtungen. Ganz
besonders tritt uns der starke deko-
rative Sinn vor Augen, der diesen
Volksmalern eigen war. Reiche Blumen-
ornamente sind auf beit Umrahmungen
und sonstigen Teilen dieser Stücke allent-
halben zu beobachten, namentlich der-
jenigen, die in die Biedermaierzeit hinein-
reichen. Bei der Ausführung der allem
Aussehen nach ältesten Bilder ist als Farbe
viel Goldbronze angewandt, sowohl im
Bilde selbst, als in der umgebenden Ver-
zierung. Gerade an diesen Stücken ist
ziemlich deutlich zu erkennen, daß viel mit
Hilfe von Schablonen gearbeitet wurde.
Bei einigen ist der Goldton anstatt durch
Bronze durch reines Blattgold gegeben.
Eine eigenartige Technik weisen die Spiegel-
bilder auf, die nicht gerade selten in der
Ausführung, jedoch teilweise sehr primitiv
sind. Der Deckfarbenauftrag wurde dabei
vollständig mit Amalgam überzogen. Wo
die Spiegelschicht nicht verletzt ist, sind
gerade diese Bilder unter dem sicheren
Schutze von Glas und Rückwandschicht
trotz ihrer 100 und mehr Jahre vor-
trefflich erhalten, in einer Frische der
Farbe, die gestern aufgetragen fein könnte.
Auch sind die Farben selbst an den besseren
Stücken viel feiner abgestimnrt, so daß sie
mit ihrer herrlichen Leuchtkraft und ihrem
prächtigen Kolorit zum wahren Augen-
schmaus werden können. Beachtenswert
ist, daß diese Art häufig auch eine bessere
Umrahmung aufweist, als die anderen.
Ob Oel- oder Temperafarben verwendet
wurden, darüber bin ich nicht zur klaren
Erkenntnis gelangt. Bei einem Versuch
mit Spiritus- und Chloroformdämpfen an
einem verdorbenen Bild blieb das Glas-
bild im Gegensatz zu deu Oelbildern,
deren Firnis- und Oelfarbenfchicht sich
auch bei hohem Alter völlig erweicht, hart
und fest. Uebrigens ergibt sich durch Ver-
gleiche hinsichtlich der Technik, daß die
aufgetragenen Farben mit einer Lackschicht
überdeckt wurden. Die Farben selbst, die
sorgfältig verarbeitet oder verrieben sind,
wurden ziemlich dick und offenbar in recht
flüssiger Form auf das Glas gebracht,
da manche Stellen, besonders zinnoberrote,
häufig wie mit Farbe übergosseu aus-
sehen; meist ist nicht die geringste Pinsel-
 
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