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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 31.1913

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Nr. 10
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Schermann, Max: Volkstümliche religiöse Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16253#0105

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94

Verderbens geduldet oder zu Studien-
zwecken unter Umständen erwünscht sein
kann. Denn die Stilknnde vor allem
findet an diesen meist einfachen Schöp-
fungen schlichter Handwerksmeister ein vor-
treffliches Anschauungsmaterial, da diese
bei aller Mannigfaltigkeit in Komposition
und Einzelformen den Wandel des Ge-
schmacks deutlich anzeigen.

Wissenschaftliche Untersuchungen haben
sich noch selten an die s ch m i e d e i s e r n e n
Grab kreuze angeschlossen. Vor allem
mangelt es daran in Schwaben, wo
doch heilte noch ein ziemlich reiches Ma-
terial vorhanden ist. Dagegen sind einige
kleinere Vorarbeiten für Tirol und Baden,
kurze Erwähnungen anch für Mähren und
Bayern vorhanden.

Das Auskommen der schmiedeisernen
Grabkreuze nach Zeit unb Ort ist bis jetzt
noch nicht mit Bestinuntheit nachznweisen.
Nach unserer Kenntnis der Dinge scheinen
sie mit dem Einbruch der Renaissance
hauptsächlich in dem österreichischen Alpen-
gebiet und im südlichen Deutschland auf-
zutreten. Die ältesten z. B. in Tirol
haben nicht als Erinnerungszeichen für
bestimmte Personen, sondern als Ständer
für Weihwassel kesselchen an den Enden
der Gräberreihen gedient. Daß die
Schmiedeisenkunst gerade in den deutschen
Ländern Oesterreichs eine besondere Heim-
stätte fand, erklärt sich aus dem Vor-
handensein des steirischen Eisens, welches
der kunstvollen Arbeit wesentliche Dienste
leistete. Uebrigens ist von Bayern und
Böhnlen aus dieser Grüberschuluck bis
Thüringen und Sachsen vorgedrungen,
was ails dem Antreffen vereilizelter Grab-
krenze auf dem Friedhof von Großheringen
zwischen Naumburg und Apolda, freilich
wohl erst aus dem l 8. Jahrhundert (nach
einer Belnerklliig der Thüringer Gewerbe-
zeitulig, VIII, 1899, Nr. 9), hervorgeht.
Bekannt dürste sein, daß Ludwig Richter
diese Motive lviederholt in seinen Bilderli,
so zu dem Lied „Es ist bestilnmt in Gottes
Rat" und zun: Märchen vom Aschenbrödel
verwendet hat. Weiter nördlich scheint
die Sitte kaunr gedrungen zu sein. Sie
wurde in katholischen wie in evangelischen
Gegelideli geübt; sie findet sich im Unter-
wie im Oberland.

Die Forrnen der Grabkreuze finb außer-

ordentlich mannigfach, je nach ihrer Ent-
stehungszeit. Im ganzen bestehen sie ans
Kreuz und Stein. Das Kreuz tritt meist
in der lateiliischen Form auf, inbent das
Querholz mehr oder weniger hoch über
der Mitte des Längsstabes angebracht ist.
Auch die Form des griechischen Kreuzes
ist stellenweise anzutreffen. Der untere
Teil des meist aus Flacheisen gebildeten
Längsholzes ist häufig gewunden, in einen
niedrigen Steinsockel eingelaffen und dort
mit Blei festgegossen. Bei größeren Kreu-
zen, deren Höhe zuweilen drei Meter be-
trägt, ist an der Rückseite eine mit dem
Sockelstein verbundene Strebe angebracht.
Der Steinsockel selbst ist bei den alten
Stücken meist sehr niedrig und kaum aus
dem Boden heraus sichtbar, zeitweise aber
auch reicher profiliert und mit Ornament
und Inschrift bedacht. An der Vorder-
seite des Kreuzes ist häufig ein Halter für
den Weihwasserkessel, meist unter der mitt-
leren Höhe, angebracht. Weiterhin gehört
zur Ausrüstung der Vorderansicht vieler
Stücke eine Schristtafel und Bilder, die
bei den Kreuzen aus dem 16. und 17. Jahr-
hundert nicht selten in der Form gezierter
Kartuschen nebst kleinen Wappenschildern
aus Eisenblech zur Anweudung kamen.
Die Blechkästchen in verschiedenen Formen,
teilweise mit dachartigen Baldachinen über-
deckt, zeigen auf der Außenseite gewöhn-
lich eine gemalte Darstellung religiösen
Inhalts, während die innere Rückwand
Namen und Daten des Toten aufweist.
Man lasse sich jedoch durch die heute les-
bare Schrift nicht über das Alter des
Kreuzes täuschen, da manche derselben
zwei- und dreimal verwendet wurden.
Außer manch anderen, meist aus Eisen-
blech geschnittenen, ehedenl bemalten Fi-
guren, so Maria utld Johannes, wird
häufig der ans Kreuz geheftete Christus
angetroffen. Sehr reich ist teilweise das
aus Rundeisen hergestellte Oruament- und
Rankenwerk älterer Grabkreuze, woran sich
Kunst und Liebe des Meisters besonders
betätigen konnten. Dieser Teil ist für
die zeitliche Festsetzung vor allem maß-
gebend.

So sind die Ranken und Stäbe der
aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhun-
derts stammenden Kreuze meist aus Rund-
eisen gebildet. Ihr Längsstamm wie die
 
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