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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 31.1913

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Nr. 10
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Schermann, Max: Volkstümliche religiöse Kunst, [2]
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Baur, Ludwig: Unsere Aufgaben gegenüber der kirchlichen Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16253#0106

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95

Arme des Querholzes laufen au seinem
oberen Ende in eine Tulpe aus. In der
zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts bleibt
die Verwendung des Nundeisens auf die
Voluten und Ranken beschränkt, während
die anderen Teile meist flächenhaft er-
scheinen. In den darauffolgenden Zeiten
stellt sich als Bekrönung nicht selten das
Patriarchenkreuz ein, oder sind dazu Tul-
pen mit Stengel und Staubgefäßen ver-
wendet. Häufig geschieht die Abdeckung
durch geschweifte, an den Rändern aus-
gerollte Blechstreifen. Die Ornamentik
wird in der Folgezeit immer reicher. Der
Rhythmus der älteren Formen löst sich bei
den Kreuzen barocken Stils, die teilweise,
entsprechend den Gewohnheiten dieser Zeit,
durch eine virtuose Schmiedetechnik aus-
gezeichnet sind, in solch starkem Maße
auf, daß die eigentliche Kreuzesform nicht
mehr in die Erscheinung tritt. Das
deutsche Kunstgewerbe folgte der Bewegung
des Geschmacks. Ueber die Art der Be-
malung sind an vereinzelten Stellen noch
Anhaltspunkte vorhanden, nicht an Stucken
des 16. Jahrhunderts, rvohl aber an
solchen des 17. und 18., wo das Stab-
werk meist schwarz gehalten ist, während
Vergoldung, außer arn Rand des eigent-
licherr Kreuzes, an Blättern, Blumen,
Rosetten und Bünden angewendet wurde.
Die gänzliche Vergoldung barocker Grab-
kreuze ist nichts Aussallendes. Später
stieg die Geschmacklosigkeit bis zur mate-
rialnnechten völligen Polychromierung der
Eisenkrenze.

Mit dem Anfang des 19. Jahrhunderts
begirint, wie bei anderer! Zweigen des
Kunstgewerbes, eine neue, kurze Blütezeit.
Die Nüchternheit des Empire läßt die
Kreuzesform gegenüber der Ornamentie-
rutlg wieder deutlicher heraustreten. Kenn-
zeichen dieser Zeit sind die Totenköpfe,
die sich an vielen Stückeil unserer Gottes-
äcker finden. Doch bald verdrängt das
Gußeisen mit seinen geschnrack- und kunst-
losen Formen die edle Schniiedekunst.
Nicht bloß ein rascher Verfall, sondern
der völlige Untergang des eben noch
blühenden Kunstzweiges ist festzustellen.
Zwar wurden auch in neuerer Zeit man-
nigfache Versuche gemacht, die alte gute
Sitte zu erneuern. So vortrefflich Zeich-
nung und Technik dieser Nachahmungen

sein mögen, sie entbehren des inneren Zu-
sammenhangs mit der lebenden Kunst und
damit derjenigen Vorzüge, welche die zeit-
echten Stücke als getrelie, sprechende Ab-
bilder des Zeitgeschmacks erscheinen lassen.

Unsere Aufgaben
gegenüber der kirchlichen Kunst.

Von Prof. Dr. L. Baur.

(Fortsetzung.)

Zunächst möchte ich mich dein Satze
zuwenden : daß d ie Knn st d e r R i e d e r-
schlag der Le b e n s a u f s a ss u ng der
jeweiligen Geschlechter der Weltgeschichte
sei, und daß die Welt a ll s ch auu n g,
daß Zeitströmnngen einen bestimmenden
Einfluß ans die Kunst ausüben. Daraus
wird die Forderung abgezogen, die Ent-
wicklnngsbedingungen unserer Stile besser
kennen zu lernen, danlit man nicht zil
den Leuten gehöre, die allen Ernstes die
Frage stellen: „In welchem S t ile sollen
wir arbeiten?" Es wird daraus ferner
die Behauptung abgeleitet, daß es für
jede Generation der Weltge-
schichte mir einen einzigen Stil
gebe, der ans den Lebensbedingnngen uub
der Lebensauffassung der Zeitgenossen ohne
Treibhauskultnr heransmächst.

Run wird man nicht übersehen können,
welch gewaltige Uebertreibung, ja direkte
Unrichtigkeit sich hinter diesem Satz ver-
birgt. Nie zeigt die Kunstgeschichte, daß
es für jede Generation der Welt-
geschichte nur einen einzigen
Stil (!) gegeben habe. Sie zeigt
vielmehr die größte Mannigfaltigkeit des
„Stils" zu derselben Zeit. Sie zeigt,
daß die einzelnen Generationen der Welt-
geschichte sich hinsichtlich des „Stils" nach
religiösen, nationalen und staatlichen
Unterschieden differenzieren. Zn der
Zeit, da man in Assyrien iiuö Baby-
lonien Kunstwerke schuf, arbeitete man
in Aegypten, in Mykene in einem an-
deren „Stil". — Und zu der Zeit,
da Hellas seine unsterblichen Bauten und
Kunstwerke schuf, arbeiteten „die Geschlech-
ter der Weltgeschichte" im äußersten Osten
in einem andern „Stil". — Selbst
im Mittelalter ließe sich Nachweisen, daß
innerhalb derselben Generationsgrnppe
das Wort vom „einen" Stil eine schiefe
 
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