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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 31.1913

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Nr. 10
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Baur, Ludwig: Unsere Aufgaben gegenüber der kirchlichen Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16253#0107

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96

Anschauung verrät: Mau braucht sich nur
daran zu erinnern, daß der Italiener
nie einen rechten Sinn für den gotischen
Stil hatte. — Nun liegt aber in dieser
ganzen Begründung unseres Erachteris
eine Verwechslung von Kunst und Stil
vor, die zu unzulässigen Folgerungen füh-
rerr könnte und deshalb vor altern eine
nröglichst klare urrd bestirnrute Feststellung
dessen notig rrracht: in rvelcheru Sirru
der als Arisgarrgspuukt dienende Satz
richtig ist und irr melcherrr Sinn nicht.
Darauf wird erst die Anwendung auf
die Verhältnisse der Gegerirvart erfolgerr
können.

Bleiben mir zurrächst bei der Frage:
Hat der Zeitgeist, hat Weltarrschau-
urig urrd Lebensauffassung einen
Einfluß auf die Knust? Ganz zweifel-
los findet ein solcher statt. Heidentum
urrd Christeritunr, Guostizisruus, Arianis-
ruus und Katholizisrrrus, Protestantismus
und Katholizismus bedeuten ebenso viele
Gegensätze und Urrterschiede auf deru Ge-
biete der Kunst. Das geht noch weiter;
auch die eirre Zeit oder eirr Volk besorr-
ders charakterrsiererrde psychologische Dis-
position (die „Mentalität") einer Zeit, eines
Volkes wirkt da herein: anders ist das
künstlerische Schafferr und künstlerische
Verständnis geartet bei den Syriern, an-
ders bei den Byzantinern, anders bei derr
Römern; arrders ist es in der Zeit der
Oltonerr, anders in der rninnezarten köl-
nischen Malerei, arrders in der streng
korrstruktiverr Art der Gotik, anders irr
derrr vonr feinsten Liniengefühl und vir-
tuoser zeichnerischer Begabung beherrsch-
terr Barock.

Eine Einwirkung des Zeitgeistes und
der Weltanschauung findet zunächst ein-
rual Halt hinsichtlich des Inhalts des
darzustellendeu Stoffes. Und hier sind
es von den bildenden Künsten nalnrge-
ruäß in erster Linie Malerei und Plastik,
die au diesen Wandlurrgen teilhaben. Es
ist gar rricht zu bezweifeln, daß eirr und
derselbe biblische Gegenstand von einem
protestantischen Künstler anders aufgefaßt
wird, als er vonr katholischen Künstler
seinem Glaubensstandpnnkt nach darge-
stelll werden rnuß. Für den, welcher wie
der katholische Künstler an Christus als
beit wahren Sohn Gottes, den Erlöser,

den Herrn über die Natur und die Men-
schen glaubt, — für den katholischen
Künstler, dem die Heiligen und die Sa-
kramente der Kirche mehr sind, als bloße
Gelegenheiten zur Darstellung religions-
psychologischer Momente, dem sie die Ver-
wirklichung eines objektiven Reiches der
Gnade und Uebernatur sind, scheidet von
vornherein eine ganze Blasse von Dar-
stellungsmöglichkeiten aus. Ich behaupte
nicht, daß der katholische Künstler im-
stande sei, die gottmenschliche Person Jesu
Christi in adäquater Weise zum Ausdruck
imb zur Darstellung zu bringen. Er ver-
inag das so wenig, als der Theologe im-
stande ist, das Wesen Gottes begrifflich
anszuschöpfen. Aber ebenso gewiß ist,
daß der vom Glauben an die Gottheit
Christi und von tiefster Ehrerbietung gegen
alles Heilige durchdrungene Künstler jede
Darstellungsforut in Plastik, Malerei von
vornherein ausschließt, die in frecher Un-
ehrelbietigkeit sich an der Person und Würde
des Heilands oder der Heiligen vergreift,
sie ins Gemeinmenschliche, Nurmenfch-
liche, Allzumenschliche herabzieht. Eine
Kruzifixnsdarstellung wie sie kürzlich in
der Stuttgarter Kunstausstellung zu sehen
war, mag noch so sehr dem „Zeitgeist"
entsprechen, katholisch kann sie nicht sein.
Man muß sich nur wundern, daß selbst
in einenl katholischen Tageblatt ein Kunst-
rezensent zum Worte kam, der sich in
eitel Lobeserhebungen erging. Und doch
schrieb selbst der „Türmer", XV (1913)
Heft 10, S. 552, eine protestantische
Zeitschrift: „Auch bei den Arikäufen für
die Staatsgalerie rvird einem recht merk-
würdig zumute. Daß ein Bilö wie K.
I. B e ck e r - G u n d a h l s „Kreuzigung"
sich die allgerneine Aufnrerksamkeit erzwingt,
liegt nur an absichtlichen Absonderlich-
keiten, nicht an wirklichen Werten. Christus
am Kreuze lacht blöde wie ein Trunkener,
Johannes ist ein Schuster mit Wasser-
kopf, Christi Mutter neben ihm eine alte,
etivas trinkselige Waschfrau, Petrus (?)
auf der einen Seite ein etwas kümmer-
licher Zollbeamter. Die denr früheren
Mittelalter nachgeäffte Art, die Größe
der Personen nach ihrem Rang zu ord-
nen, ist bei einem heutigen Künstler eben
eine Äfferei. Was soll nun dieses sehr
große Bild in einer Staatsgalerie? Be-
 
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