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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 31.1913

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Nr. 11
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Nusser, Ludwig: Die Arbeiten eines Pfarrers zur Vorbereitung eines Kirchenbaues, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16253#0118

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105

zögert, weil eben hier sehr oft rein per-
sönliche Sachen in Frage kommen. Die
einen wollen die Kirche am alten Platz
haben, weil sie in der Nähe derselben
wohnen, andere wollen sie anderswo,
weil sie für ihr Geschäft Nutzen zu ziehen
hoffen, wieder andere hoffen durch Bau-
platzpolitik Geld zu machen. Hier gilt
es für den Pfarrer, Klugheit mit Ver-
schwiegenheit zu verbinden. Vor allem
bleibe man, wenn immer möglich, mit
der Kirche im Dorf. Die Zeiten sind zu
unsicher, um isoliert stehende Kirchen zu
erbauen, welche oft auch zumal von äl-
teren Leuten weniger besucht werden kön-
nen. Sodann muß die Bodenbeschaffen-
heit untersucht werden; Höchsterund nied-
rigster Grnudwasserstand ist sestznstellen,
Belastungspfeiler namentlich für den Turm
müssen gemacht werden, der Frage der
Entwässerung ist näherzutreten; hier kön-
nen Tausende gespart werden, künstliche
Fundierungen kosten zu viel und Garan-
tien können bei Türmen von den besten
Architekten für diese Fälle nie geboten
werden. Sind einzelne Parzellen zu
einem Bauplatze hinzu zu erwerben,
möge man der Spekulation znvorzu-
kommen suchen. Unter Umständen ist es
mit besten, man tritt erst mit der voll-
endeten Tatsache unter Gutheißung des
Bischöflichen Ordinariats über den ge-
wählten Bauplatz an die Oeffentlichkeit,
vielen Uneinigkeiten ist aus diese Weise
von Anfang an ein Ziel gesetzt. Erhöhte
Punkte sind für Kirchen immer vorzn-
ziehen, etwaige Mehrauslagen für Bei-
fuhr und Chaussierung werden reichlich
gut gemacht durch vorteilhaftere Wirkung,
durch Ersparnisse an der Höhe des Mauer-
werks und durch leichtere Ableitung des
Regenwassers. Doch möge man, wenn
immer möglich, hiebei von Treppenan-
lagen absehen.

5. Ob romanischer oder Spätrenaissance-
(Barock)-Stil gewählt werden soll, dürfte,
was den Kostenpunkt betrifft, kaunr einen
Unterschied ausmachen. Gotische Kirchen
verlangen höheres Manerwerk und wenig-
stens einiges Maßwerk, dürften also immer
etwas teurer werden. Wer mit einer
einschiffigen Kirche genügend Raum er-
halten kann, mag eine solche wählen, weil
sie allen Kirchenbesuchern ft eien Ausblick

auf den Altar gewährt. Doch bleibt be-
stehen, daß die dreischiffige Anlage die
nrchristliche Bauforrn ist und das Grund-
geheiniuis des Christentums symbolisiert.
Zu Galerien wird man wohl nur da
Zuflucht nehmen, wo die Engräumigkeit
des Bauplatzes dieselben nötig macht.
Wir wollen dem Geschmack der einzelnen
keine Vorschriften machen, darum schaue
sich jeder selbst um und befrage sich an
Ort und Stelle über die Vor- und Nach-
teile der einzelnen Bauweisen, und dann
treffe er entsprechend den vorhandenen
Mitteln die Wahl. Dem modernen,
namentlich ans protestantischer Seite neuer-
dings beliebten sog. Dorfkirchenstil wollen
wir nach einem in neuester Zeit erschienenen
Hirtenschreiben des Kölner Erzbischofs
nicht viele Zeilen widmen. Eisenbeton-
konstruktionen werden für unsere Ver-
hältnisse fast immer zu teuer werden.
In Erdbebengebieten dürfte sich Eisen-
beton allein empfehlen. Zn hohe Kirchen
mit weitausladenden Qnerschisfen haben
schlechte Akustik. Zu schmale Querschiffe
stören die Raumverhältuisse. Hier ist es
Pflicht des Pfarrers, an andern Orten
gemachte Fehler nicht noch einmal machen
zu lassen. Die Kirche und ihr Turin
soll in die Landschaft, in das Dorf- oder
Stadtbild hineinkonstrniert werden; die
Kirche soll das Dorf von weitem kenn-
zeichnen. Kommt die Kirche ans einen
freien Platz zu stehen, dürfte auch ein
Bebauungsplan der Umgebung der Kirche
nicht außer acht gelassen werden.

6. Die Wahl des Architekten.
Wer heutzutage ein paar Jährchen Bau-
gewerk- oder Kunstgewerbeschule besucht
hat uud glücklich genug ist, sich den Na-
men Architekt beilegen zu können, glaubt
schon alles zu einem gemachten Kirchen-
baumeister zu haben. Gerade vor diesen
Leuten, welche oft örtlich einen großen
Anhang haben, kann nicht genug gewarnt
werden. Nur derjenige wird uns eine
Kirche erbauen, welche durch ihre Kon-
struktion und durch ihren Rhythmus des
Raumes vollauf zufriedenstellt, welcher von
den vielen schönen alten Kirchen das
Schönste an Ort und Stelle selbst ge-
zeichnet hat. Man möge also bei der
Wahl des Architekten keineswegs von der
Ortspolitik sich leiten lassen. Ist die
 
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