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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 31.1913

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Nr. 11
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Baur, Ludwig: Unsere Aufgaben gegenüber der kirchlichen Kunst, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16253#0122

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10!)

beit Betonbau. Darüber wurde schon
früher das Nötige gesagt. — Er verlangt
Anpassung an die Umgebung und
Platzgestaltuug. Auch diese Forde-
rung ist zweifellos richtig, zunächst wenn
es sich uni die Anpassung au die Natur-
Umgebung handelt. Sie ist auch richtig,
wenn mau dabei die architektonische Um-
gebung im Auge hat, jedoch zweifellos
mit der einschränkenden Bedingung, daß
diese architektonische Umgebung überhaupt
wert sei, daß sich ihr ein Bauwerk von
der überragenden Bedeutung einer Kirche
anpaßt, sonst könnte man doch wohl zur
Abwechslung auch einntal die Forderung
erheben, daß die umge'bende Privatarchi-
tektur nach und nach dem hervorragenden
Werk des Kircheubanes im Lauf der Zeit
angepaßt werde.

Endlich wird die Forderung einer
Neuformung der Architektur erhoben im
Hinblick auf neue Bedürfnisse und Auf-
gaben der modernen Kirchenarchitektur.
Freilich fügt der Verfasser hinzu: „Wie
weit ihr Einfluß gestaltend wirken wird,
das wird die Zukunft lehren." — Welches
diese „neuen Bedürfnisse" seien, wird nicht
näher dargelegt. Man wird nicht fehl-
gehen, wenn man an folgende denkt:
Heizuugs- und Lüftungsanlagen (Venti-
lation), die Beleuchtungsanlagen für elek-
trisches Licht (teilweise auch für Gaslicht),
die Orgelaulage u. dergl. In der Tat
sind damit neue Aufgaben gestellt, doch
ntöchte mau nieinen, daß keine derselben
von so grundlegender Bedeutung sei, daß
sie einen „neuen Stil" aus sich erzeugte,
oder auch nur in wirklich uenueuswerter
Weise auf die ganze Raumgestaltung ein-
zuwirken berufen wäre. Mau wird sie
also, wo es sich um architektonische Stil-
fragen handelt, nicht allzusehr betonen
dürfen. Anders freilich ist das bei Fra-
gen der Technik, wie z. B. des Eiseu-
betonbanes, oder der reinen Eisenkonstruk-
tion. Ein Franzose hat eine Kirche in
reiner offeuliegeuder Eisenkonstruktiou ge-
baut. Sie sieht aus wie eine Bahnhos-
oder Markthalle, nicht wie eine Kirche.
In all diesen Hinweisen auf die moderne
Technik vermisse ich die voraugäugige Be-
antwortung der einen sehr wichtigen Frage:
„Eignet sich denn jede moderne technische
Errungenschaft zur Verwendung beim katho-

lischen Kirchenbau?" Es kann etwas sehr-
brauchbar und praktisch, vielleicht sogar in
seiner Art schön sein au einer Bahuhof-
anlage, einer Turn- oder Markthalle,
einem Warenhaus oder Wirtshaus, aber
die Frage, ob es nun einfach auch bei
der Kirchenarchitektur Verwendung finden
könne, muß erst noch eigens vorher gestellt
und beantwortet werden. Vielleicht ist
auch dieser Gesichtspunkt geeignet, zu kri-
tischer Besinnung zu mahnen, und das ist
ja nie ein Fehler.

Die Musterbilder, welche als Jllustra-
tionsmaterial beigegebeu sind, erscheinen
mir nicht durchweg als vorbildlich gelten
zu können. So sehr es richtig sein dürfte,
daß im Altarbau wieder auf einfachere,
einheitliche, die Grundidee des Altars er-
kennen lassende Formen zurückgegriffeu
werden soll, so möchte ich doch das allzu
massive, fast grob erscheinende und allzu
gedankenarme Beispiel nicht als muster-
gültig betrachten. Ebensowenig die in
ihren Linien zwar schwungvollen, im Ge-
samtausdruck aber doch recht rohen, fast
bizarren Glasfenster (sehr schön ist da-
gegen die Sopraporte), während die Bei-
spiele aus dem Gebiet der Plastik (speziell
die zarte Madonna von Jven) einen tiber-
aus feinen und zugleich frommen Eindruck
machen. Auch den Mantelschließeu und
den Beispielen aus der Stickerei wird
mau nur zustiiumeu und sie als muster-
gültig bezeichnen dürfen.

Auch in dieser Hinsicht (ganz speziell
auch, was das kirchliche Kunstgewerbe an-
gelst) ist das, was die Beuroner Kunst-
schule aus ihren Prinzipien heraus ge-
schaffen hat, unseres Erachtens muster-
gültig. Zugleich kommt es den modernen
Leistungen zum Teil wieder so nahe, daß
mau sich verwundert frägt, wo denn bei
so ganz verschiedenen Ausgangspunkten
das Gemeinsame liege.

Es wäre unseres Erachtens wünschens-
wert und gerechtfertigt gewesen, wenn der
Verfasser auch der Beuroner Kunst als
einer überaus charakteristischen Art reli-
giöser Kunst ein Wort gewidiuet hätte.
Er hat sich damit, daß er dies unterließ,
wie mir scheint, eines Vorteils begeben,
der ihm zugunsten seiner These zu Gebote
gestanden hätte. Denn so gründlich, wie
die geniale Kunst des ?. Desiderius, ist
 
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