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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 32.1914

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Nr. 2
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Schöninger, Artur: Ein Gang durch restaurierte Kirchen, [35]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16254#0022

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15

Kirche nicht. Es muß im ganzen wie
im einzelnen ein Sinn liegen. Wenn
in dem herrlichen Ulmer Chorgestühl die
heidnischen Weisen, die Gerechten des
Allen Bundes, die Heiligen des Renen
Bundes in dreifacher Reihe dargestellt
sind, so dienen sie nicht bloß zur Parade
für den Beschauer, nein, ihr Zug geht
hin zu dem König, zu dem Heiland im
herrlichen Sakrameutshaus, und eine
ganze Apologie der sakramentalen Gegen-
wart Jesu Christi stellt dieser Zug dar.
So soll auch die Ornamentik im Verein
mit der Symbolik einen Grundgedanken
zum Ausdruck bringen.

Auch in Bonlanden wurde das versucht
und es ist gelungen. An den Wänden ist
die ehrwürdige Versammlung der Apo-
stel- und Heiligenstatuen zum Teil in neuem
Gewände, nicht alle gleich gut gearbeitet,
stehend um deu Thron unter gotischen
Baldachinen, darüber gemalt die symbo-
lischen Tiere — Länuner, Löwen, Hirsche,
der Paradiesvogel, die Adler, die symbo-
lischen Geräte und Vorbilder, siebenarmiger
Leuchter, Gnadenbrunnen, Lebensbaum,
Osterlamm, Manna, Opfergaben, dazu die
schwebenden Engel — alles hinziehend
und hinweisend auf den, der im zierlichen
hochragenden Turm des Hochaltars wohnt.
Die Medaillons der Mittelschiffdecke weisen
in großer Mannigfaltigkeit auf Christus,
die Sonne der Gerechtigkeit, und Maria,
deren Symbol der silberglänzende Mond ist.
Zu betrachten, zu erklären ist also vieles;
aber das Publikum wird mehr befriedigt
sein, als wenn bloß lebloses Quaderwerk
oder heidnische Mäander oder die neuer-
dings so beliebten Spirallinien auf Wän-
den und Decken zu finden sind. Es mag
sein, daß manchmal auch die Schillersche
Kunst große Anforderungen an das Deu-
tungsvermögen des Einzelnen stellt, aber
auf diese Weise wird sie nie gewöhnlich
und banal.

So hat die Klosterkirche eine Stinlmung
erhalten, die zum Geist des Ordens und
des Ortes paßt. Dabei wurde auch das
gesamte Inventar nicht hiuarrsgeworfen,
sondern durch Neufassung denr neuen
Wandschmuck augepaßt. Der Hochaltar,
in seiner Art fein unb zierlich, ein Werk
von Hansel) in Horb, hat durch die Neu-
fassung — gedämpftes Blau mit Gold —

noch mehr gewonnen. Es ist ein einziger,
hochstrebender Tabernakelturm, flankiert
von niederen Predellateilen nnb Statuen.
Sämtliche Statuen an ihm erhielten eine
Fassurig in Metall-Lasuren, was sich sehr-
gut ruacht. Die Nebeualläre siuv nur
Umrahmungen je eines Tafelbildes mit
gotischer! Fialen unb Ornamenten. Sie
wurden, dem Gebrauch der Alten ent-
sprechend, in rot und gold gefaßt, der
Unterbau grün und gold. Dadurch ge-
rviuneu die beiden Altarbilder ungemein:
das eine — der Tod Mariä — auf Holz
gemalt, als ein Werk aus der Ulmer
Schule bezeichnet, das andere — Herz-
Jesu-Figur — von Karl Baumeister mit
der religiösen Wärme dieses Meisters ge-
rnalt. Die Kanzel wurde im Holzion be-
lassen, erhielt aber dunklere Lasierung, und
sämtliche Figureil wurden neu gefaßt.
Die Konventskapelle zwischen Turrrr und
Langhaus erhielt durch neu ausgebrocheue
Fenster ruehr Licht und ist geziert mit der
gut gelungenen Kopie eines Tafelbildes
von Perngino (Visio Sancti Bernardi).

Die ganze Restauration erhielt ihre
Krönung durch Einsetzung zweier gerualter
Chorfenster mit deu Figuren St. Fran-
ziskus und St. Klara unter zierlichen
Baldachinen. Sowohl irr der Farben-
gebung, als in der Ornamentik entsprechen
dieselben den Anforderungen, die man in
unserer Zeit an die Glasmalerei stellt.
Sie stannnen aus der Kgl. Bayerischen
Hofglasrnalerei-Anstalt Zeltler in Manchen.

Für spätere Wandbilder, auch für ein
Bild über dem Chorbogen ist noch Raum
gelassen, damit ein zeitgenössischer Meister
seine Kunst betätigen kauu..

Es ist ein großer Unterschied zwischen
Königseggwald und Bonlanden: dort das
Alte in neuem Gewände, das Hauptge-
wicht in Architektur und Altarplastik; hier
fast lauter Neues in neuen Formen und
Farben, das Hauptgewicht auf der deko-
rativen Bemalung, da die Architektur
iveniger Ansprüche auf Berücksichtigung
niachte. An beiden Orten aber ist in
glücklichster Weise der Stimmung Rechnung
getragen und damit erreicht, was erreicht
werden wollte.

(Fortsetzung folgt.)
 
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