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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 32.1914

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Nr.3
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Schöninger, Artur: Ein Gang durch restaurierte Kirchen, [36]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16254#0035

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Westen drei Portale ins Innere, der
alte Eingang unter deni Turm und zwei
neue Doppeltüren an den seitlichen Turm-
anbanten. Wir sind beim Eintritt über-
rascht; denn eine ganz andere Kunstwelt,
als das Aenßere vermuten laßt, tut sich
vor uns auf. Wir sind überrascht über
die Weiträumigkeit, welche die Kirche durch
den Anbau gewonnen hat. Es befriedigt
uns, daß wir auch vom hintersten Winkel
zu Kanzel und Altar vorsehen können.
Und es befriedigt uns, daß alte und neue
Teile so glücklich in Einklang gebracht
worden sind.

„1744—1750 innen verstrickt und ver-
zopft" heißt es in den Knnstaltertümern
von 1888, inib 5080 Gulden soll diese Ver-
schönerung gekostet haben, sagt die alte
Oberamtsbeschreibung von Niedlingen vorn
Jahr 1827. Daß es Zopf ist nach frü-
herern Sprachgebrauch, ist nicht zu leugnen,
aber daß es reiche, fast großartige Stück-
arbeit ist, wird jedem Beschauer irr die
Augen fallen. Da leuchten einem ent-
gegen drei prächtige, originelle, geschliffene
Strickaltäre, wie man solche selten mehr
in ähnlicher Gediegenheit findet. Die bei-
der! korrespondierenden Nebenaltäre, die
eigentlich nur eine Umrahmung um ein
großes, rechteckiges Bild darstellen, sind
so originell aufgebaut und mit Muschel-
Tropfstein-Nanken- und Girlandenwerk
behängen und bekrönt, daß man über die
ornamentale und dekorative Phantasie des
Autors staunen muß. Der Hochaltar mit
vortretender Säulenstellnng, wie eine Art
Baldachinaltar erscheirrend, ist etwas nüch-
terner, aber nicht weniger originell, und
rnan könnte donauabwärts, wo man Mo-
tive zu einem Baldachinaltar in München
suchen läßt, solche bei einer Pilgerfahrt
nach Altheim eher finden, als irr Einsiedeln.

Aehnlich der Stukkatur an den Altären,
aber fast noch reicher und ansgelassener ist
die des Gewölbes im Chor und der gro-
ßen, über breiter Hohlkehle sich ausdeh-
nenden Flachdecke des Langhauses. Aber
welchen Anblick bot diese Stukkatur vor
der jüngsten Erneuerung! Im Jahr 1884
ivurde auch bei einer Renovation, die
20 000 Mark kostete, das Stuck- und
Zopfwerk im Steinton grau und gräulich
gestrichen, und mit der Zeit.nahm die
Gränlichkeit zrr und wurde dem heller

werdenden Geschmack unerträglich. Nun-
mehr ist alles gelichtet. Nach geschehener,
glücklich durchgeführter Erweiterung dachte
nämlich der Pfarrherr von Altheim, Schnl-
inspektor Bonifatius Maier, sofort an eine
Erneuerung des Gesamtiunern, nur auch
hier Altes und Neues irr Einklang zu
bringen, und ging energisch ans Werk.
Er fand zwei tüchtige Meister zur Durch-
führung: einen sehr geschickten Stukkateur,
Joseph Maier von Waldsee (leider schon
gestorben), und einen erfahrenen und ge-
wandten Kirchenmaler, Lorenz Münch von
Ehingen. Joseph Maier hat zum Teil
nach gegebenen Motiven, zunr Teil rrach
eigener Konzeption an den Plafonds der
neuangefügten Teile, an der Emporebrü-
stung und an der Kanzel prächtige, den
alten in nichts nachstehende Stukkdekora-
tionen mit Emblemen und Ornamenten
frei mit der Hand aufgetragen, die eine
große Meisterschaft in dieser Technik er-
kennen lassen und die das Bedauerrr ver-
mehren, daß ein so tüchtiger Meister so
bald hinrveggenommen wurde. An der
Karrzel wird karnu zu erkennen sein, was
alt und was neu ist.

Kirchenmaler Münch hat die Decken-
bilder gereinigt. Bon wem dieselben stam-
men, von Martin Khnen von Weißenhorn
oder von Wegschaider ans Niedlingen, ist
mir im Augenblick nicht mehr erinnerlich.
Sie sind aber sämtlich gut herausgekom-
rnen. Die Stukkatur hebt sich vom lichten
Grultd leicht ab, und da alles reichlich mit
Gold ausgeblitzt ist, so entsteht ein recht
feierliches, festliches und dabei heiteres
Ensemble, das sowohl zu entzücken als
zu erbauen geeignet ist.

Es wäre von der innern Einrichtung
noch rnancherlei zu berichten, so z. B., daß
die alten Beichtstühle eine ganz geeignete
Aufstellung gefunden haben, daß irr der
merkwürdigen, an nrrd für sich schon sehens-
rverten Sakristei ein besorrderes Kunstwerk
in Gestalt einer prächtigen, alten, gotischen
Statue der hl. Apollonia zu sehen ist, daß
auch das Gestühl und die Emporenauf-
gänge geschickt angeordnet sind. Doch dies
und anderes rnöge der Besucher selbst
herausfinden und begutachten oder benör-
geln.

Es ist aber auch die elektrische Beleucht-
rrng in der Kirche installiert worden nnb
 
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