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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 32.1914

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Nr. 5
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Schermann, Max: Die Entwicklung der Abendmahlsdarstellung, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16254#0060

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51

anfangend bei der Hauptfigur einen Wen-
depunkt findet und in der linken Gruppe
den Rückweg antritt. Mit dem Gesamt-
bild erfaßt man ohne Mühe das Ein-
zelne; das sind die Ruhepunkte des Bil-
des, bei denen sich wiederum Christus und
die beiden Vorderfiguren, Judas und der
Apostel, im Dreieck sitzend, als Zielpunkte
ergeben. Dadurch entsteht zugleich für das
Ganze eine Empfindung der Ruhe. So
erfaßt Rubens bei demselben Grundge-
danken wie Dürer den Vorgang einheit-
licher und flüssiger d. h. malerischer.
Rubens kann viel freier mit seinen Figuren
schalten, und doch sind diese Apostel alle
in geistige Beziehung zum Herrn gesetzt;
nur Judas, der nicht in die Gesamtbe-
weguug einbegriffen ist, wendet den Blick
ab. Der Gedanke ist der der Sakra-
mentseinsetzung: Memoriam fecit
mirabilium suorum, escam dedit etc.
(Ps. CX, 4,5. Vulg.J steht auf der
aufgeschlagenen Heiligen Schrift, die auf
der rechten Bildseite zwischen zwei Leuch-
tern aus einem Kamin steht. Von den
spezifisch malerischen Mitteln ist es be-
sonders die Virtuosität der Beleuchtung,
die sich namentlich darin äußert, daß er
die Hauptfigur in der Szene des „Nacht-
mahls" auch noch durch das ans dem Tisch
stehende Licht hervorhebt. Ueber dem
Kopfe des emporblickenden Christus bricht
zudem noch das Mondlicht herein. Da-
durch erkennt man besonders deutlich,
welche malerischen Mittel dieses Abend-
mahl von Dürers Holzschnitt trennen.

Die Vorzüge von Rubens' Darstellung
zeigen zugleich die Möglichkeit seiner selb-
ständigen Stellung gegenüber Leonardo,
trotzdem einzelne Züge ohne Zweifel von
diesem und von Tizian herübergenommen
sind. Beide sind aber doch so verschieden,
wie eben italienische Hochrenaissance und
flandrisches Barock es sein können. Die
Frage nach der Abhängigkeit des fland-
rischen Malers von Tizian soll hier nicht
erörtert werden, da wir in unsere Betrach-
tung die Venezianer ohnehin nicht einbe-
zogen haben. Als Abschluß und Zielpunkt
der Entwicklung des nordischen Abend-
mahls ist das Bild des Rubens beinahe
das nordische Gegenstück zu Leonardos
Werk geworden. Im Gegensatz zu diesem
bringt es aber eben die Einsetzung des -

Sakramentes zur Darstellung, was seine
Popularität sicherlich mitbestimmt hat.

Daß endlich der Gegenstand des Abend-
mahls auch Rembrandt interessiert hat,
der ja den religiösen Stoffkreis in über-
zeugender Menschlichkeit, dadurch aber in
äußerster Profanierung betrachtete und
darstellte, zeigen ein paar kleinerer Skizzen
nach Leonardo, von denen die Rötel-
stiftzeich uung in der Sammlung des
Königs Friedrich August II. in Dres-
den die wichtigste ist. Es ist die Ueber-
setzung von Leonardos Werk in eine fremde
Kunstsprache, und zwar als Wiedergabe
eines selbständigen künstlerischen Erleb-
nisses. Daher die ganz fundamentalen
Abweichungen in Rembrandts Zeichnung.
Für seine spezifisch-malerische Erfassung
des Gegenstandes hat die strenge Tektonik
von Leonardos Abendmahl keine Bedeu-
tung. Ihm sind die Teile Träger einer
einheitlichen malerischen Vision. Nicht der
Wohlklang schöner Verhältnisse ist beab-
sichtigt, sondern Kraft, Innigkeit, Unmit-
telbarkeit. Es karn ihm nur auf den
überzeugenden Ausdruck der Erregung an,
nicht ans den schönen Bau und die klare
Gliederung der Gruppen. Weiterhin ist
Rembrandt nicht Architekt. Nicht die
klassische Symmetrie, welche alle Teile in
einer mathematischen Achse aufeinander
bezieht, eigentlich gar keine Architektur ist
in Rembrandts Zeichnung geblieben. Eben-
sowenig darf bei ihm die idealisierende
Gestaltung der Personen erwartet werden,
weil er eben das tiefst Persönliche, schon
als Bildnismaler, aus den Individuen
herauslas. Judas ist wieder das gemeine
Subjekt wie ans Dürers Holzschnitt. Jur
Gegensatz zu Rubens ist sodann Christus
nicht rnehr die von: Kerzenlicht am hellsten
beleuchtete Gestalt; er ist selbst als Quelle
des Lichtes im Vorgang gedacht. Nie
vorher wurde die Ausstrahlung des Herrn
als einzige Quelle der Erleuchtung gedacht
wie hier, beinahe in direkter Anlehnung
an das Wort: „Ich bin das Licht der
Welt". Es ist ein malerisches Erfassen
dieses Gedankens, den er in dem Herrschen,
Ansstrahlen und Untergehen des hellschei-
nenden Lichtes im finsteren Raum in voll-
ständiger Anpassung an die Wirklichkeits-
vorstellung des Abendmahls ausdrückte.

Da es sich nicht um die Beschreibung
 
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