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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 32.1914

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Nr. 7
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Rohr, Ignaz: Ein Museumsgang in London, [2]
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Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.16254#0080

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71

rückhaltlos hiiiaegeben, lange, ehe aus
beiden ein Feldgeschrei wurde, und er
tat beides in so gesundem Sinn, daß
dies Feldgeschrei in England keine Exzesse
Hervorrufen konnte, wie anderswo. Er
hat bewiesen, daß Naturtreue und geistiger
Inhalt sich recht wohl vertragen, und
Damit die Kunst seiner Heimat vor bloßen
„Bravourstücken" bewahrt und ihr die
Fühlung mit dem Empfinden der Volks-
seele gesichert, ihr insbesondere durch
Heranziehen der Offerrbarurrg und der
Schätze der Literatur einen Inhalt zu
geben verstanden, der der Kunst, der
Religion und der nationalen Dichtung
zugleich zugute kornml und namentlich
der modernen Kunst Englands jenen
Charakter des Vornehmen sichern half,
den man anderswo schmerzlich vermißt.
So hat er denn manches gemein mit den
Nazarenern Deutschlands, ja er hängt
direkt mit ihnen zusammen, denn Dyce,
der sich zwar dem Prärafaelitenbunde nicht
angeschlossen, bei der Entwicklung Hunts
wesentlich mitgewirkt, siebt unter dem direk-
ten Einfluß Overbecks. Wenn seine Nach-
wirkung sich viel weiter erstreckte, als die
seines deutschen Gesinnungsgenossen, so mag
das nächst dein englischen Nationalcharakler
namentlich aus jenen religiösen Aufschwung
zurückzuführen sein, der der anglikanischen
Kirche neues Leben und dem Katholizismus
eine Menge Konvertiten brachte: die

Oxfordbewegung. Der Zug der Redlichkeit,
zur Verinnerlichung und Vertiefung ver-
band sie und kam beiden zugute.

Eine Fernwirkung besonderer Art darf
hier nicht unerwähnt bleiben, die Nachblüte
in den bnden ehemaligen Oxsorder
Theologiestudenten Vurne-Jones
(1833 — 1 9ÜC>) und William Morris
(1834—1896), und bei Walter C r a n e
(geb. 1845).

Es war die Kunst und die Persönlichkeit
Rossettis, welche Vurne-Jones ins Reich
des Schönen herüberzogen. Doch erreichte
der Jünger sein Ideal nicht, die Anmut
der Linien und der Gestalten erinnert
wohl an dasselbe; aber die Tiefe und
die Mannigfaltigkeit fehlen ihm. Müdigkeit,
Melancholie, Ergebung ist die ständig
wiederkehrende Stimmung. Trotzdem steht
er bei seinenr Volke hoch in Ehren und
sein Einfluß reicht weit über die Grenzen

seiner Heimat hinaus auf dem Gebiete
des Kuustgewerbes, uamentlich der Glas-
malerei.

Morris, Dichter und Maler wie Rossetti,
insbesondere aber tätig im Kunftgewerbe,
ja geradezu dessen Erneuerer auf englischem
Boden und darüber hinaus, hat sich ins-
besondere um die Buchkunst unsterbliche Ver-
dienste erwoiben (Kelmscott-press 1890).
Hierin sekundiert ihm Walter Crane.
Bunte Illustrationen sind seine Spezialität.
Vor allem war das Kinderbuch der
Gegenstand seiner Bemühungen und sichert
ihm ein ehrenvolles Andenken. Aber auch
für Tapeteu uud Glasmalerei lieferte er
wertvolle Entwürfe.

Wenn das englische Kunsthandwerk für
weite Kreise vorbildlich wurde, so ist es
das Verdienst dieser Schüler der Prära-
faeliten, und wenn dasselbe von einer
eigentlichen Stilhetze nnd fremdem Import
wenig zu leiden halte, so liegt die Ursache
in der rührenden Sorgfalt, mit der die
Neuerer das nationale Erbe früherer
Jahrhunderte studierten. Vor bloßern
Nachäffen bewahrte sie die eigene Ge-
staltungskraft, und so sind sie der schlagendste
Beleg dafür, daß mau bet der Tradition
lernen kann, ohne zu verknöchern, und
daß die Kirche vorr gesunden Grundsätzen
ausging, wenn sie warnte vor schroffem
Bruch mit dem Herkommen.

Literatur.

Dominikus Zimmermann. Ein Beitrag
zur Geschichte der süddeutschen Kunst im
18. Jahrhnndert, von Dr. Thomas
Muchall-Viebrook. (Archiv für Ge-
schichte des Hochstifts Augsburg. H.raus-
gcgebur von Professor I)r. H. Schröder,
Dillingen IV, 1 nnd 2.) 1912.

Ein Mann, der für die süddeutsche Kirchcnknnst
von so großer Wichtigkeit ist, ivie Dominikus
Zimmermai n, hätte schon längst eine eingehendere
Behandlung verdient. Es ist eine alte Ehrenschuld,
die 0er Berfasser vorliegender Monographie dem
Rokokoarchitekten gegenüber abträgt — und um
es gleich sagen — in vollgültiger Weise
abträgt. Nicht nur hat Muchall-Viebrook die
Kunstdenkmäler selbst an Ort und Stelle auss
genaueste studiert, sondern auch die einschlägige
Literatur ist ausgiebig verwerte«. Außerdem
sind ungedruckle Archivalicn und Akten heran-
gezogen «vorden, die dazu verivertet iverden konnten,
Licht in die biographischen, kunsttechnischen und
kunstgeschichtlichen Fragen zu bringen, die hier
hereinspielen. In einer kurzen Einleitung legt
 
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