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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 32.1914

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Nr. 9
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Stolz, Eugen: Die angeblich älteste deutsche Glockeninschrift
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https://doi.org/10.11588/diglit.16254#0094

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85

was disu glok überschell, imb aus dem
gleichen Jahr die Glocke des Franenulünsters
in Zürich mit der tautologischen Erweite-
rung der Ersiuger Legende: o rnaria
rnuoter gotes eelle usw. (Walter 204).
Weiterhin folgen sich die Glocken von St.
Peter in Zürich (1421, jetzt umgegossen),
Uuterdigisheim, OA. Balingen (1481),
Baltringen, OA.^Lanpheim (1488), Alt-
heim, OA. Ehingen (1507), Rente, OA.
Waldsee (1515), Jselshausen, OA. Nagold
(1530), Wiesensteig, OA. Geislingen (1688
und 1694), n. a.

Ihrem Inhalt nach gehört die In-
schrift zu jenen Glockengebelen, die in
der Eigenart der dettlschen Frömmigkeit
des Mittelalters ein tiefes Gemüt und
eine zarte Liebe zu Maria verraten. Ter
Vers macht die Glocke in poetischer Per-
sonifikation zum schützenden Wächter der
Gemeinde, der allen Jttsassen Leid und
Freud des menschlichen Lebens getreulich
anzeigt und ihnen mit seinem Rufen imb
Bitten in den mannigfachen Atiliegen
und Nöten Gottes Segen und der Hei-
liget! Hilfe vermitteln will. Dabei nennt
die Inschrift Maria Gottes Zelle, cella
dei. Das ist einer der alten Ehrentitel
Marias, der ihre Muttergotteswürde in
markanter Weise ansdrückt. Die cella
war nämlich der ehrwürdigste Teil der
alten Tempel, in denen das Bild der
Gottheit stand. Cella dei bedeutet also
die besondere Wohnung Gottes. Mit der
Menschwerdung Christi hat ja Gott bei
Maria tu ganz besonderer Weise Woh-
nung genornrnen und ihren Leib zum hoch-
heiligen Tempel gemacht. Cella dei,
Gottes Zelle in der Bedeutung von Mutter
Gottes ist ein im Mittelalter viel ge-
brauchter Ausdruck. So nennt Adam
von St. Viktor, einer der berühmtesten
Dichter des Mitulalteis (gcstoiben um
1185), Maria cella eustos unguen-
torum, cella pigmentaria. Noct) ge-
nauer heißt es in einem Hymnus, der
wohl ebenfalls dem 12. Jahrhundert an-
gehört, von Maria: Lnx solaris, clara
Stella, — Spiritalis Dei cella,
Paradisi patens porta, — Per quam
salus fuit orta; ähnlich in einein Hym-
nus wohl aus bem 13. Jahrhundert:
Ave maris stella, — Ave stella maris,
Verbi Dei cella, — Virgo sin-

gularis, (Vgl. G. M. Dreves, Ein
Jahrtausend lat. Hymnendichtung 1909 1,
269 und II, 284 f.). Es mag noch er-
wähnt werden, daß auch die Kirche des
vor 1227 gegründeten Angnstinerinnen-
nnd späteren Dominikanerinneuklosters
Gotteszell bei Gmünd Maria geweiht war.

Das Glockengebet selbst scheint ein deut-
sches Original zu sein. Von den lateini-
scheil Glockeninschristen kommt als die
noch am meisten entsprechende Parallele
der leoninische Vers in Betracht: Ne re-
sonante pia populo succurre Maria!
Diese letztere Inschrift findet sich ebenfalls
auf vielen schwäbischen Glocken, darunter
bereits ans der Osannaglocke des Münsters
von Freiburg i. B.voin Jahr 1258 (für den
Ausdruck populo succurre vergleiche
die Antiphon Alma redemptoris mater,
die in den Analecta hymnica 50 (1907),
309 dem schwäbischen Grafensohn und
Reichenniier Mönch Hermann Eontractns,
gestorben 1054, zngeschrieben wird). Auch
von diesein Glockenverse existieren meh-
rere Varianten. Es seien angeführt:
M. r. p. miseris succurre Maria (Alt-
pölla, Diöz. St. Pölten, 13. Jh., vgl.
Wörlitz bei Dessau 1400 u. a. bei Wal-
ter 182; für den Ansdruck vergleiche die
Antiphon zum Magnifikat der ersten
Vesper von Marienfesten, die nach Kir-
chenlexikon 2 VIII, 825 den hl. Angn-
stinus zum Verfasser haben soll), ferner
M. r. p. populi memor esto Maria
(Wiblingen 1260, Brackenheini, got.Maj.,
Zürich, Großmünster 1331, Hochinössingen,
OA. Oberndorf, 1497, vgl. Kunst- und
Altertnmsdenkmale des Königreichs Würt-
temberg, Schmarzwaldkreis 1897, 218),
ähnlich M. r. p. populi memento Maria
(Kirchentellinsfurt, OA. Tübingen, und
Osterdingen, OA. Roltenbnrg, je 1502,
vgl. auch Veringendorf, OA. Gammer-
tingeu (1400), bei Zingeler-Laur 46 f.).

Uebrigens libersetzt E. Michael a. a. O.
V, 251 die Inschrift der Freiburger
Osanna mit dem Vers: Schallt mein
fronlnies Geläut, Hilf Deinein Volke,
Maria. Aehnlich gibt Walter 208, A. 2
die Inschrift der Zürcher Glocke vom
Jahre 1331 mit den Worten wieder:
Wenn ich fromm ertöne, so sei des Vol-
kes eiugedelik, Maria. Es geht aber nicht
an, das pia im Verse zu me resonante
 
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