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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 32.1914

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Nr. 11
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Warncke, Johannes: Mitteilungen über einige in Lübeck befindliche mittelalterliche Pilgerzeichen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16254#0111

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jre Gelübde geleistet, die opfferungen ver-
richtet und wiederum!) nnheims reisen
wollen, sind jnen sonderliche Zeichen von
Blep gegossen, gleich einer Hostien mit
dreyen rot geferbten Flecken, wie Vluts-
tropssen zugerichtet, §nm gezengnis, das sie
die heilige Stedte besucht hatten, mit-
getheilet worden, welche zeichen die Wnll-
brüder vorn an jre Hüte geheftet und
damit Erlaubnis zu wandern erlanget
haben." Er fährt darauf fort: „Und
hat dieser Jahrrnarkt mit obstehenden Zei-
chen jerlichs ein groß Geld getragen,
davon das Thum-Capittel zu Havelberg
seinen gebührenden antheil empfangen hat,
wie denn dieselbige Zeichen anffen Thnmb-
hose daselbst mehrenteils gegossen rrnd zn-
gerichtet sein sollen, wohin aber dieses
sowol als auch das vorgedachte eingenom-
nrene Opffergeld gekonrmen, ist ungewiß."

Von diesen eben skizzierten Pilgerzeichen
besitzt das hiesige Museum nrehrere Origi-
nale. Ich beginne mit einem irr Bergen
in Norwegen im Finnegarden gefundenen
Stück, das gelegentlich der Einrichtung
des Bergenzimmers dnrch Koren Wiberg
riach Lübeck kam. Es ist kreisrund
und hat einen Durchmesser von 5,5 cm.
Der Rand ist reich verziert durch auf-
gelegte Punkte; an vier Stellen ist er mit
einem Loch zum Durchziehen des Fadens
versehen. In das Innere ist recht ge-
schmackvoll hineinkomponiert der heilige
Marlin zu Pferde, wie er dem hinter ihnr
stehenden, nur spärlich bekleideten alten
Krüppel seinen Mantel reicht. Nach der
Legende soll ihm dann in der folgenden
Nacht Christus mit dem Mantel bekleidet
erschienen sein. Welchem Wallfahrtsort
dieses Zeichen zuzuschreiben ist, ist mir noch
nicht gelungen, festzustellen. Voir denr
zweilerr Stück ist nur ein Fragment
vorhanden. Jetzige Höhe 4,1 cm. Es
rst giebelsörmig, aber im Gegensatz zu
den übrigen voll gegossen. Von den vier
Oesen sind zwei erhalten. Die Zeichnung,
eine gekrönte Maria mit Lilienstab und
Kind, ist in wenig erhabenen Linien aus-
gesührt. Der Technik nach scheint das
Stück recht alt zu sein; vielleicht datiert
uran es um 1400. Es ist beim Bau des
Hauses Marlesgrube 4 gefunden. Ans
welchem Ort es stammt, vermag ich noch nicht
zu sagen. Das dritte Zeichen (Abb. 3) des

Museums ist wiederum rund, bei einem
Durchmesser von 3,7 cm. Im Kreise
sieht man ziemlich roh gearbeitet Christus
am Kreuz, beseitet von Johannis und
Maria. Auf dem Rande steht in äolischen
$kiu?W":S[GNVMESBVREORTV
ANO MCCX-f. Das Stück ist schon
vor reichlich vierzig Jahren beim Pflastern
der Krähenstraße gesunden. Die Oesen
fehlen. Herknlist und Inschrift dieses
Zeichens sind mir unklar.

Das nächste (Abb. 1) zeigt den Heiland
mit erhobener Rechten, auf einem Esel
reitend, unter einem spätgotischen, mit
Krabben besetzten Bogen. Es mißt in der
Höhe 5,8 cm und in der Breite 4,5 cm.
Oesen sind nicht mehr vorhanden, doch
scheinen Reste ans solche hinzudeuten. Von
der Inschrift ist nichts urehr zu entziffern.
Auch der Ursprung dieses Zeichens steht
noch nicht fest. Es wurde schon 1856
von bem damaligen Senator Brehmer der
Sammlung überwiesen. Das vierte Stück
(Abb. 2) ist rechteckig mit dreieckigem Giebel.
Es ist aus der Trave ausgebaggert worden
und hat eine Breite von 7,4 cm und eine
Höhe von 6,4 cm. An den Ecken sitzen,
bezw. saßen die vier Oesen. Die Spitze
krönte ursprünglich ein Kreuz, wie es noch
ans einem gleichen Zeichen ans einer Glocke
von 1429 in Schinznach in der Schweiz
(Kanton Aargau) zu sehen istP. Das
Innere ist in der linken Hälfte ausgefüllt
mit einer schemalisch dargestellten Kapelle,
worin eine gekrönte Maria mit dem Jesus-
kindlein sitzt. In dem turmartigen Teil
der Kapelle steht eine Gestalt mit Heiligen-
schein und brennender Kerze. Die andere
Hälfte des Zeichens wird eingenommen
von zwei Figuren, die sich zur Kapelle
begeben. Die erste ist ein Bischof mit
Stab und großer Kerze, die zweite, die
einen Schlüssel trägt, ist durch die Flügel
als Engel gekennzeichnet. Der Rand trägt
in Minuskeln die Inschrift: „Dis. ist.
vnser . vrowen . cabell. Zeichen. von.
neisidelen . die . wiett. got. selb . mit.
eng eil." Es handelt sich also um das
Pilgerzeichen des im Mittelalter wie auch
noch jetzt bedeutenden Wallfahrtsortes
Einsiedeln in der Nähe des Züricher Sees.

l) Bergt. Dr. P. Odiliü Ringhotz. „Das Haus
der Mutter". Einsiedeln 1913, S. 19 u. 52.
 
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