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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 32.1914

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Nr. 12
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Baur, Ludwig: Friedhofanlage und Friedhofkunst, [7]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16254#0115
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mit Strahlen, Kreuz mit Kinzifixns, oder
einem plastischen INedaillon in der Mitte.
Einige sehr ansprechende Holzkrenze dieser
Art hat Bildhauer Han sch in Horb an-
gefertigt.

' Eilt sehr beachtenswerter Vorschlag be-
züglich der Grabdenkmäler geht dahin,
daß neben den Einzelnen- und Familien-
denkmälern auch Gemeinschaflsdenk-
niäler errichtet werden sollten. So z. B.
könnte für die Geistlichen oder für Kloster-
frauen oder Domkapitel, theologische Fakul-
täten und dergl. ein besonderer Platzdes Got-
tesackers gekauft, gärtnerisch entsprechend
umgrenzt mit) mit einem einzigen, aber dann
wirklich hervorragenden und künstlerisch
wertvollen Gemeinschastsdenkmal ansge-
stattet werden, während dann für die
Bezeichnung des einzelnen Grabes eine
einfache Steinplatte genügt. Das rväre
entschieden beut vorznziehen, daß viele
Einzelgrabdenkmäler —• darunter doch
meist sehr zweifelhafte Ware — errichtet
werden.

Die I ri s ch r i f t ist keineswegs als Neben-
sache an einem Grabstein zu betrachten. Sie
muß sich dentGrabural harntonisch eingliedertl.
Sie muß in richtiger Höhe angebracht werden,
muß richtig linb geschmackvoll auf die Fläche
verteilt werden. Maßstab, Schriftart, Form
und Farbe der Schrift müssen richtig ab-
gewogen werden. Das schönste Grabmal
kann verpfuscht werden durch eine klotzige,
aufdringliche, formlose, falsch verteilte
Inschrift. Bor allem vermeide man Sand-
gebläseschrift mit Rankenwerken; auch die
knallgotdene Inschrift auf tiefschwarzem
Grund enthält viel zu starke Kontraste,
um günstig wirken 51t können.

Für die Forur der Inschrift läßt
sich natürlich keilte allgemeine Regel anfstellen.
Sie richtet sich nach dem einzelnen Denkmal.
Nur die eine allgemeine Regel darf nicht außer
acht gelassen werden: die Inschrift ist dazu
da, um gelesen zu werden. Sie ritilß also
leserlich sein. Eine Inschrift mit un-
leserlichenr Buchstabengeschnörkel hat ihren
Beruf verfehlt. — Weiter: die Inschrift
üluß der Art und Form des Denknrals
angemessen sein: auf einen Stein in Bieder-
meierstil paßt nicht eine Inschrift in der
klassischen angilsteischen Majnskelschrist, und
auf einem mächtigen, wuchtigen Monnment

darf man nicht die zierliche deutsche Kurrent-
schrift der Biedermeierzeit anbringen wollen,
so wie auch auf einem ganz modernenDenkmal
nicht die gotische Schrift paßt. Ein schwerer
Stein kann keine zierliche, ein zierlicher
Stein kann * keine massive Schrift er-
tragen.

Der Inhalt it n sererGrabi n s ch r i f-
ten läßt da und dort zu wünschen übrig,
wird manchmal banal, um nicht zu sagen
trivial, und zwar umsomehr, je weiter
man sich dabei von beit großen religiösen
und Glanbensgedanken entfernt. Man
begnüge sich nicht mit allgemeinen Redens-
arten wie „Viel zu frühe", „Ruhe sanft",
„Schlummere süß", „Das Licht erlosch",
„Die Sonne ging unter" — und was der-
gleichen Banalitäten sind'). Besonders
fürchterlich pflegen sich die breiten Bettel-
suppen „poetischer Ergüsse" und tränen-
reicher Verse auf den Grabsteinen zu er-
gießen. Kein allgemeines Gerede! Keine
abgegriffenen Redensarten auf den Grab-
steinen. Sie sollen unseren " Glauben,
unsere Hoffnung, unsere Liebe, Dankbarkeit,
Treue künden. — Am beste» ist es, wieder
auf die altchiistlichen Inschriften zurück-
zngreifen: wie schlicht, kurz und doch so
vielsagend waren sie:

In pace, im Frieden; In paee Christi,
im Frieden Christi; hie quiescit in Deo,
Hier ruht in Gott; Die expeetal resuv-
veetionem, Hier erwaitet die Aufersteh-
ung . . . usf.

Eine wahre Fundgrube schöner, gedanken-
und empfindnngsreicher Grabinschriften * S.

') Eine nahezu komische Art dieser Banalitäten
erzählt Högg in Kunst und Kirche, Leipzig 1913.

S. 104: „In Hannover fand ich immer wieder-
kehrend die wunderschöne Formel: „Viel zu früh".
Ich ging ihrem Ursprung nach und fand, daß sie
auf den älteren Steinen gelautet hatte: „Du starbst
zu früh für meine Liebe." Das war aber mit
der Zeit 51t umständlich und zu teuer geworden.
Denn jeder Buchstabe kostet Geld, und so war der
Spruch zusammengeschmolzen auf: „Zu früh". —
Das aber mag anspruchsvollen Seelen denn doch
gar zu knapp geklungen haben, sogar im Jahr-
hundert des Telegrammstils, und so gab man noch
ein „Viel" darein und schrieb auf das Kreuz:
„Viel zu früh". — Ganz ähnlich erging es dem
gleichfalls sehr geistreichen Spruch: „Geliebt, be-
iveint, unvergessen." Auch der war noch zti lang.
In Dresdener Friedhöfen können Sie abgekürzt
und billiger lesen: „Geliebt, beweint". Punktum."
 
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