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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 33.1915

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Nr. 1
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Schäfer, ...: Ueberreste der romanischen Kirche in Unterbrändi und deren Geschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.16255#0012

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töte Unkosten zu leiden als die Heiligen
evangelischer Religion; und wer gibt dem
hiesigen Heiligen etwas zur Bestreitung
der Kirche, zu Wachs, zu Oel, zu Ban-
kösten, wo er vier Gebäu zu unterhalten
hat? Entweder muß hiesiger Heiliger
independiert sein von andern oder andere
müßten ihm auch succurieren. Jcb muß
das- ganze Jahr das Joch tragen. Kein
anderer, weder Ober- noch Unterpfleger,
ist tu loco. Andere haben den Lohn und
ich umsonst das Aufsehen, und sollte
nichts davontragen als Spott und Ver-
folgung, wenn ich es auch noch fo gut zu
fein glaube. Das sollte endlich ein ehr-
lich gesinntes Gemüt in Confusion
bringen. Ich aber, der ich nach seinem
vor den Heiligen abgeschworenen Eide
handle, werde auf alles mündigste
Rechenschaft geben."

Das Jahr 1770 scheint Pfarrer Lieb
wieder manches Ungemach gebracht zu
haben. Zunächst beschwerte er sich, daß
ihm in der Person des Jakob Spezger
ein ganz untauglicher, der Religion und
dem Gottesdienst zum Spott gereichender
Mesner ordiniert worden. Dann wurde
seine Haushälterin, Anna Maria Stock-
burgerin, um 6 fl. 30 Kreuzer gestraft
und aus dem Lehen verwiesen; umsonst
richtete sie eine „dem- und wehmütige
Bitte um huldreichsten Nachlaß und
höchste Retaxation" an den Herzog. So-
dann klagt Pfarrer Lieb den Oberamt-
mann wegen verschiedener Verfolgungen
an; n. a. bringt er vor, es habe sich in
seiner Abwesenheit zugetragen, daß in
der Nacht Musketiere abgeschickt worden
seien, welche das Pfarrhaus stürmisch an-
gefallen, alles alarmiert, die Knechte mit
sich nach Dornhan geschleppt, allwo der
Oberamtmann sie gefangen, die Köchin
mit Schimpfen und Schmähen auf das
äußerste mißhandelt, nicht weniger auch
bei solcher Gelegenheit seine Reputation
anzufechten keine Scheu getragen. Er
bat um eine unparteiische kommissarische
Untersuchung.

Am 20. April 1773 verpachtete Pfarrer
Lieb teils alters-, teils schwächlichkeits-
halber, teils um seine bisher so beschwer-
liche Haushaltung zu erleichtern, das
Besoldungsgut an seinen Mesner Spez-
ger. 1775 wurden Pfarrwohnung, Pfarr-

scheuer, Kirchen- und Mesnerwohnung
mit einem Aufwand von 269 fl. 1 Kr.
renoviert. Ein Meister hatte damals 28,
ein Geselle 26 Kreuzer Taglohn. Im
Dezember 1777 starb Pfarrer Lieb von
Unterbrändi, und fofort wurde die Kirche
vom Oberamt Dornhan geschlossen und
dadurch der katholische Gottesdienst un-
möglich gemacht. Es soll damals nur
noch ein Katholik vorhanden gewesen
sein. Die Bischöfliche Kurie zu Konstanz
nahin aber dadurch Veranlassung, bei
dem Kaiserlichen Reichshofrat Wider das
Herzogliche Haus Württemberg Klage zil
erheben. Die Verhandlungen zwischen
der kirchlichen und weltlichen Behörde
dauerten eine Reihe von Jahren und
wurden noch durch besondere Umstünde
in die Länge gezogen. Die Kirche zil
Unterbrändi war zugleich Wallfahrts-
kirche, und fanden dorthin feit „unvor-
denklichen Zeiten" Bittgänge und Pro-
zefsionen — vornehmlich von Leinstetten,
aber dann und wann auch von Dießen,
Dettingen, Bittelbronn, Glatt und Diir-
renmettstetten statt. Diefe Prozessionen
wurden schon im Jahre 1746 von der Re-
gierung untersagt; dessenungeachtet
gingen dieselben weiter, so daß schon am
29. April 1747 Pfarrer Panissel von
Leinstetten allen Ernstes bedroht wurde,
„daß, wenn er sich mit dergleichen Zu-
dringlichkeiten und unbefugten Atten-
tates noch ferner fürzugehen nur im
mindesten beigehen lassen würde, man sich
ohnfehlbar sowohl an seiner Person selb-
sten als an dem von Ihme zu genießen-
den Zehnten zu halten bedacht sein
werde".

Wiederholt wurde vom Herzog ein Be-
richt iiber den Ursprung und die Art der
Ausführung der Prozessionen eingefor-
dert, auch wie oft dieselben stattfinden.
Dem Pfarrer wurden weitere derartige
Wallfahrten aufs neue verboten, zugleich
aber auch den herzoglichen Beamten be-
fohlen, falls solche doch vorgenommen
würden, es bei einer Protestation zu be-
lassen und mit wirklicher Resistenz zu-
rückzuhalten. Ein ähnlicher Befehl er-
ging 1760, 1771, 1776 usw.

Am 2. Oktober 1778 protestierte der
Spezial von Sulz und der Oberamt-
mann von Dornhan beim Pfarr- und
 
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