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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 33.1915

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Rohr, Ignaz: Aus Englands Kathedralen
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https://doi.org/10.11588/diglit.16255#0018

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15

was jedoch nicht allzuoft geschieht, bildet
eine Spitze den Abschluß.

Nach dieser allgemeinen Orientierung
mag nun die Illustration der einzelnen
Stilarten je an besonders signifikanten
Beispielen mit Ausblicken auf deren Ge-
nossen folgen.

Zu den stattlichsten Domen Englands
zählt unstreitig der von Durham (155 m
lang, 24 m breit, 21 m hoch)1). Der
Chor gehört den: Ende des 11., Schiffe
und Kapitelhaus der ersten, das Galilee
(Büßerraum, westlich vorgelagert) der
zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts,
das östliche Querschiff der Mitte des 13.,
der obere Teil des Mittelturmes bent
15. Jahrhundert an. Die Hauptbestand-
teile erstanden also in rascher Abfolge,
und so ist denn, mindestens von Westen
her, der Gesamteindruck ein ziemlich ein-
heitlicher und führt in die Zeit des Ueber-
gangs vom normannisch-romanischen zum
gotischen Stil. Rundbogen und stumpfer
Spitzbogen, Rundsäulen und reichgeglie-
derte Pfeiler stehen nebeneinander. Die
Schildbogen weisen das Zackenornament,
und die Säulen sind entweder kanneliert
oder durch Zacken- oder
(Rantenform) belebt. Die Gesamtanlage
zeigt die Freude an der Ausdehnung in
die Länge, auch beim Chor (hier vier
volle Traveen); der kräftige Vierungsturm
zusammen mit den beiden Westlürmen
schafft einen gewissen Ausgleich durch Be-
tonung der Höhendimension. An der
Westfassade liegt das fünfschiffige Galilee
mit Gewölben über den zu zweien oder
viereu verbundenen Säulen und bereitet
würdig vor auf den gewaltigen Eindruck
des-Jnnern. Dasselbe läßt sich mit einem
Blick übersehen, denn der in England fast
unvermeidliche Lettner ist so leicht und
zierlich, daß er dickChoransicht nicht ver-
baut, und der Blick gleitet vorbei an all
den Stützen, Gesimsen, Gewölben, Blend-
arkaden und Fenstern bis zur Rosette ves
Ostchors, läßt die ganze Wucht auf das
Gemüt wirken, die in den massigen Pfei-
lern, den schweren Säulen, den scharf
hervortretenden Kapitälen und Gurten
liegt. Man bekommt das Gefühl des

1) Grundriß und Aeußeres bei Kuhn I, Fig.
815 und 816; Gatilaa ebd. Fig. 814, Inneres
Fig. 817.

Geborgenseins in Gottes fester Burg. Die
Phantasie eilt zurück in jene Zeiten, da
die gefürchteten normannischen Necken hier
Ruhe von überstandenen und Kraft zu
neuen Kämpfen suchten. Und doch sind
es nicht nur die vom Lichtgaden und den
Seitenschiffen hereindringenden Sonnen-
strahlen, die nach oben weisen — int
Triforium sind je zwei Fenster gekuppelt,
im Lichtgaden je drei, das mittlere mit
Lanzett-, die beiden äußern mit Rund-
bogen, aber die Ornamente sind roma-
nisch — sondern die vorwiegend vertikal
dekorierten Stützen, die frei über alle
Gesimse dahineilenden Dienste, die leicht-
geschwungenen Bogen und Rippen ver-
stärken ihre Mahnung. Die Kunst ist des
Materials Herr geworden, und der un-
belebten Flächen sind es nur mehr sehr
wenige.

Einförmiger, aber dafür ruhig und
vornehm, präsentiert sich das Aeußere.
An Ziergliedern ist es nicht reich, und die
in gewaltigen Dimensionen gehaltenen,
ohne Verjüngung (abgesehen vom später
angefügten Obergeschoß des Mittelturmes)
aufsteigenden, erst über dem Dache des
Mittelschiffs reicher dekorierten und wie
so viele andere geradlinig abschließenden
Türme machen denselben Eindruck. Etwas
Wehrhaft-Trutziges liegt in ihnen. Es
ist, als hätten sie zugleich zum Lugaus
und Bergfried in Kampf und Fehde dienen
müssen — oder herrschte bei ihrer An-
lage das Gefühl, gegenüber der im Grund-
riß einseitig betonten Längsrichtung müsse
ein Gegengewicht geschaffen werden? Für
jeden Fall drängt sich bei einer Ver-
gleichung mit den Schiffen, und vollends
wenn man die deutschen Dome derselben
Zeit heranzieht, das Gefühl des Lastens
und Hängens am Diesseits auf. Keine
Mahnung zur Weltflucht, zum Aufwärts-
und Himmelwärtsstreben.

Verwandt und zeitlich zusammengehörend
mit Durham ist das Querschiff von Win-
chester, von Bischof Walkelin 1099 be-
endet, 63 m lang, mit Seitenschiffen, in
den Formen einer Pfeilerbasilika mit Ar-
kaden gehalten.

Die Abteikirche von St. Albans x),
1877 erst zum Rang einer Kathedrale er-

) Außenansicht und Detail Scott 1, S. 99 ff.
 
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