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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 33.1915

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Nr. 1
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Rohr, Ignaz: Aus Englands Kathedralen
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https://doi.org/10.11588/diglit.16255#0021
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18

dekoriertem, Chor in perpendikulärem Stil,
Holzdecke, prächtige Westfassade, imposante
Türme im Westen und über der Vierung,
wertvolle Glasgemälde und ein achteckiges
Kapitelhaus mit Sterngewölbe, das der
Inschrift neben der Türe alle Ehre macht:
„Ut rosa flos florum, Sic est domus
ista domorum").

Eine Glanzleistung, soweit es gilt,
zwischen verschiedenen Bauperioden nus-
zugleichen mtb einen relativ harmonischen
Gesamteindrnck hervorzubringen, ist die
Kathedrale von GloncesterJ. Ge-
wöhnlich figuriert sie als Beispiel für beit
Perpendikulärstil. Ursprünglich norman-
nisch (1089 ff.) — Inneres, Krypta und
Kapitelhans sind es noch — der Kreuz-
gang aus dem 14., Westsassade, Süd-
portal, Turm- und Ladychapel aus
dem 15. Jahrhundert, wurde sie einer
so geschickten Ueberarbeitung im Ge-
schmack des perpendikulären Stils unter-
zogen, daß sie von außen einen an-
nähernd einheitlichen Eindruck macht, der
sich im Innern des Chors so verstärkt,
daß man das normannische Gerippe un-
ter dem zierlichen Nankenwerk beinahe
vergißt. Dagegen war man verständig
genug, das Prachtfenster im Osten des
Chors mit seinen imponierenden Dimen-
sionen (22 X 11,5 m) aus dem 14.
Jahrhundert zu belasse». Aus eiuem
Guß nach Bau und Ausstattung ist die
Ladychapel (1490), ebenso der Kreuzgang.

Nach Zeit und Stil gehört derselben
Richtung an die Kapelle Heinrichs VII.
an der Westminsterabtei (1502—1520),
dreischiffig, mit Kapellenkranz, 100 Statuen,
prächtigem Chorgestühl (für die Ritter
und Knappen des Bathordens), fächer-
artiger Decke, weitherabhängenden Schluß-
steinen, Auflösung der Mauern und
Stützen in Maß- und Rankenwerk.

Besonders harmonisch, trotz der Eut-
ltehnng während verschiedener Bnuperio-
deu, wirkt die Kathedrale vonEyeter^).
Schon die Maße zeigen die Vorliebe der
Engländer für große Längeudimeusionen:
die Länge beträgt 124 m, also genau
wie die beim Ulmer Münster und nur
1 m weniger als bei dem Freiburger;

0 Kuhn, Fig. 808: Inneres, und 809: Krypta.

2) Kuhn, Fig. 909 (Inneres).

die Breite dagegen nur 23 und die Höhe
20 m, während die entsprechenden Zahlen
in Ulm 49 und 42 m, in Freiburg
30 und 27 in sind. Der Chor nimmt
an dem Drang in die Länge teil, und
ein Blick durch die ganze Flucht von
West nach Ost müßte überwältigend wir-
ken, würde er nicht gehemmt durch den
wie meist in England sehr monumental
gehaltenen Lettner und — dieser ließe
wenigstens Trisorinm und Gewölbe noch
frei — die darüber sich aufbanende und
bis nahe an die Decke reichende Orgel.
Die Gesimse, die sich unter dem Trifo-
rinm und unter dem Lichtgaden hinziehen,
betonen die Horizontalrichtuna, wie die
Rippen von Schlußstein zu Schlußstein,
und dennoch entsteht nicht der Eindruck
des Gedrückten und Beklemmenden. Denn
die den Pfeilern an allen vier Seiten
vorgelagerten Dienste (je sechzehn) weisen
energisch nach oben; die entsprechend ge-
gliederten Scheidebögen geben sie weiter,
und die durch mehr als ein halbes Dutzend
fächerartig sich ausbreitender Rippen ge-
gliederten Gewölbezwickel führen sie zum
harmonischen Abschluß in den Schluß-
steinen und ihren Bindegliedern. Es ist
ein Gefühl, als stünde man mitten drin
in einem frisch anssprießenden Walde und
sehe ans den Stämmen die Aeste und
aus den Aesten die Zweige sich hervor-
drängen und zu einer festlichen Halle sich
zusammenschließen. Durch dieses reiche
und doch nicht wirre Durcheinander ist
die weitere Gefahr vermieden, die in den
Dimensionen der Banglieder an sich liegen
würde. Die Triforien stehen auffällig
klein und gedrückt zwischen den Scheide-
bogen und den Fenstern. Aber eben die
reiche Gliederung, das fröhliche Aufwärts
läßt darüber hinwegsehen.

Ein anderes Geheimnis des harmoni-
schen Gesamteindrucks liegt in dem kon-
sequent durchgeführten Streben nach Sym-
metrie. Fast drei Jahrhunderte ist an
der Kathedrale gebaut worden (Querschiff-
türme anfangs des 12. Jahrhunderts,
der Rest vollendet gegen Ende des

14. Jnhrhundeits). So bietet er, von
Ost nach West studiert, alle Phasen
der englischen Gotik in ihrer geschichtlichen
Abfolge, und die Gestaltung der Fenster
ist hiefür besonders charakteristisch. Aber
 
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