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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 33.1915

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Nr. 1
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Spohn, ...: Eine neue Erklärung der Disputa Raffaels
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https://doi.org/10.11588/diglit.16255#0025
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22

kläruug zu gelangen, den Mittelpunkt
der ganzen Komposition, ansgehend von
der unteren Hälfte, und findet ihn nicht
in der Monstranz, sondern in der Figur
des Heiligen Geistes, freilich nicht
den handelnden Personen, sondern nur
dem Beschauer sichtbar. Durch Fixierung
dieses Mittelpunktes stellt sich des Ver-
fassers Erklärung in Gegensatz zu allen
bisherigeil Lösungsversuchen. Von dem
so gewonnellen Mittelpunkt ausgehend,
erklärt er die untere und obere Bildhälfte
und gelaiigt zum H a u p t r e s u l t a t, daß
es sich im Bilde nicht um zwei, sondern
drei Teile handelt: die erste Bild-
zotie stellt das Werk des Vaters dar,
Erschaffung der sichtbaren (Erdkugel) und
unsichtbaren (Engelsheer) Welt; die
zweite Bildzone das Werk des Soh-
nes, ; die Erlösnng in ihrer Vorgeschichte
vonl Protoevangelinm (Adam) bis auf
Johannes der Täufer („Ecce Agnus
Dei") und Maria (Menschwerdung), so-
lvie in ihrer Fortdauer in der Kirche
(Petrus und Paulus) „mit ihrer voll-
kommeneil Glaubens- und Sittenlehre
(Johannes linb Matthäus) und dem
Schatz der Erlösilllgsgnade (Stephanus
nlid Laurentius)"; die dritte Bild-
zotie die (noch fortdauernde) Wirksam-
keit des Heiligen Geistes in der Inspira-
tion der Heiligen Schrift (4 Evangelien),
in der Gnadenmitteilnng (Eucharistie) und
in der Leitung und Erleuchtung der
Gottesgelehrteli. (Sine Bestätigung dieser
Erklärung der dritten Bildzone findet der
Verfasser in den Worteil Vasaris, daß
Gottvater, „über allen, den Heiligeil Geist
herabsendet über eine große Zahl voll,
Heiligen, welche unten die Messe schreiben
und über die Hostie auf dein Altäre
sprechen (disputano)" (S. 13). Vor
allem aber sucht er seine Ansicht zu be-
grüiiden durch Betrachtung des Werde-
gaiigs des Bildes, der sich leidlich aus
den vorhandenen Studienblättern ver-
solgeil läßt. In keiiler der ersten Skizzen
ist der Altar auch nur angedeutet, wohl
aber der Kreis des Heiligen Geistes, auf
den auch verschiedene Theologen schauen.
Daraus folgert er, daß Raffael sich iiicht
in deiil Altar, fonbern im Heiligen Geist
beit Mittelpunkt der unteren Komposition
gedacht habe.

J,u Schlußwort meint der Verfasser:
„Nur die vorgetragene Deutung vermag
die gailze Konlposition restlos zu erklären"
(S. 57). Ich möchte es doch bezweifeln.

1. An beut Erklärungsversuch gefällt
mir das eine, daß nicht die Eucharistie,
sondern der Heilige Geist des Bildes fixiert
ist; so allein kommt Einheitlichkeit in die
Komposition. Weiterhin ist sehr gnt die
links und rechts parallel verlaufende Drei-
teilung der unteren Versammlung in
Altertum, Mittelalter, Gegenwart (von
Raffaels Standpunkt aus) betont.

2. Aber mit einer Dreiteilung der
ganzen Komposition kann ich mich nicht
befreunden. Sie mag logisch und theo-
logisch ganz richtig sein; aber dem unbe-
fangenen Betrachter springt die Eintei-
lung in eine obere und untere
Hälfte doch zu auffallend ins Auge und
über sie kann auch historische Betrachtung
nicht hiuweghelfeu. Wie ist aber die
Zweiteilung mit der oben genannten Fixie-
rung des Mittelpunktes zu vereinbaren?
Ich denke mir die Sache so: das ganze
Bild ist nach der Ueberschrift die „divi-
narum rerum notitia“. Die ooere
Hälfte zeigt Die divinares (Schöpfung,
Erlösung, Heiligung), die untere Hälfte
die notitia divinarnm rerum, mitgeteilt
durch ötii Heiligen Geist; oder mit andern
Worten: oben ist der Inhalt der Theo-
logie (die tkeologia, quae agitur), unten
die Geschichte der Theologie (die tlreo-
logia, quae agit) dargestellt; die Ver-
bindung deider, nicht bloß die technisch-
künstlerische, sondern die reale, bildet der
Heilige Geist, der sowohl „die Tiefeit der
Gottheit erforscht" (I. Kor. 2, 10) als
auch der Kirche „alle Wahrheit lehrt"
(Joh. 16, 13).

3. Ist dann der Altar ganz über-
flüssig oder nur technisches Eiuiguugs-
mittel der unteren Hälfte? Rein; nur
für den Beschauer ist die obere Hälfte
sichtbar, nicht für die handelnden Theo-
logen ; für sie ist der Inhalt der Theologie
sichtbar realisiert in der Eucharistie, dem
Geheimnis der Geheimnisse.

4. Die vonl Verfasser skizzierte und
oben angeführte Deutung der Heiligen-
v e r s a in nt l u u g der oberen Hälfte
scheint mir doch etwas zu sehr gekünstelt
zu sein. Wir haben zwölf Heilige, und
 
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