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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 33.1915

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Nr. 2
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Drei Kirchen in einem Dorf, [1]: ein Gang durch die drei restaurierten Kirchen Ummendorfs, ihre Geschichte und Kunstgeschichte
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Die Hauskapelle des Kollegiums St. Joseph in Ehingen a. D.
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https://doi.org/10.11588/diglit.16255#0058

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55

Rahmenwerk; zarte, gut angebrachte
Vergoldung hilft den trockenen, schwung-
losen Formen aus. Was Berthold Pfeif-
fer i) von dem verwandten Stilcharakter
Wiblingens (eingeweiht 1782) sagt, gilt
in etwa auch von unserer wenig späteren
Pfarrkirche: Mit ihrem Zierat über-

raschen uns hie und da Kirchenräume,
deren architektonische Zierglieder in un-
verfälschtem Klassizismus zur italieni-
schen Renaissance zurücklenken, so daß hier
der Kreislauf einer Kunstepoche von drei
Jahrhunderten einen harmonischen Ab-
schluß findet. (Schluß folgt.)

Die L^auskapelle des Kollegiums
St. Joseph in Ehingen a. D.

Ein längst gehegter Wunsch von Ver-
waltungsrat, Zöglingen und Schwestern
ist im neuen Kollegium erfüllt worden!
durch den Einbau einer Hauskapelle.

Hochherzige Stiftungen, darunter eine
in der Höhe von 1600, eine andere von
500 Mark, Spenden aus Kreisen, die dem
Haus nähersteheu, selbst solche aus dem
Felde, ermöglichten es, dem für diesen
Zweck im Erdgeschoß vorgesehenen
Raum von 15 Meter Länge, 6 Meter
Breite und 4 Meter Höhe eine zwar ein-
fache, aber gediegene und einheitliche
Ausstattung zu geben.

Der Architekt hat sich bei der Aus-
gestaltung dieses Raumes wohl die Aus-
gabe gestellt, ihn über die Form eines
mit einem Altar versehenen Zimmers zu
erheben und ohne die Geschlossenheit der
Bauanlage zu sprengen, ein Mittelding
zu schaffen zwischen einer kleinen Kirche
und einem Betsaal. Er hat diese Aufgabe
in sehr glücklicher Weise gelöst. Nach
außen hat er die Bestimmung dieses
Bauteils, abgesehen von dem figürlichen
Schmuck der Fenster (stilisierte Pelikane
und Aehren), dadurch kenntlich gemacht,
daß er die Fenster nicht wie sonst im Erd-
geschoß nach unten gerade, sondern durch
denselben schön geschwungenen Bogen,
wie nach oben abschloß, so daß sie sich der
Form von Kirchenfenstern annähern,
ohne daß irgendwie die Harmonie der
Schauseite beeinträchtigt würde. Im
Innern ist dieser Erfolg erreicht worden

'0 Barock, Rokoko und Louis XVI. S. 12.

durch Tieferleguug des Fußbodens um
vier Stufen, durch die steinernen Fliesen
desselben, den Terranuovasockel mit dem
in Kratztechnik endigenden Abschluß-
fries, die Fensterverglasung von gewisch-
tem, gebranntem Antikglas, und die
großen, in barocker Zeichnung gehalte-
nen drei Kassetten der Decke.

Das warme Rot des Fußbodens, das
satte Grün des Gestühls, die lichtgrüne
Tönung des Sockels bewirken zusammen
mit dem Weiß der Wände und der Decke,
sowie dem gebrochen einströmenden
Lichte und den schönen Maßen des Rau-
mes eine eigenartige, angenehme Stirn-
! mung. Einen Ruhepunkt für das Auge
blldet der in der Apsis stehende Altar,
z welcher ebenso wie die Kommunionbank
ein Werk von Bildhauer Müller in
Saulgail ist. Die Wandabschnitte links
und rechts der Apsis sind belebt durch
ovale Medaillons und Konsolen in Stuck.

Dieser schöne Raum hat einen köst-
lichen Schmuck erhalten durch vier Bil-
der, die Karl Baumeister in Zwie-
falten geschaffen und dem Kollegium als
hochwillkommene Stiftung überlassen
hat. Das größte und wohl auch das be-
deutendste dieser Bilder, das in der Tiefe
der Apsis angebrachte Altarblatt stellt
„die Mutter vom guten Rate" dar. In
die ovalen Medaillons links und rechts
voill Altar lind in der Mitte der dem
Altar gegenüberliegenden Wand sind die
Bilder des hl. Joseph, des Patrones des
Hallses, des hl. Aloisius lind des
hl. Bernhard eingelassen.

Was Baumeister aus der stillen Werk-
statt seines reizenden Heims gesandt hat,
sind Schöpflingen eines abgeklärten
Künstlergeistes, eines tiefen und from-
men Gemütes, echte Andachtsbilder,
jedem verständlich, das Auge erfreuend
und das Herz erhebend. Ihre lebhaften,
freundlichen Farben bilden ein Gegen-
gewicht gegen das Weiß der Wände und
der Decke, und ihr geistiger Gehalt hat
einen bedeutenden Anteil an der Stim-
mung und Weihe des Raumes.

Baumeister ist kein Moderner. Seine
Kunst ist verwandt mit jener der Naza-
rener. Er hat mit ihnen gemein die
schöne Zeichnung, die saubere und sorg-
fältige Technik, das Streben nach Besee-
i lung und Idealisierung und vor allem
 
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