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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 33.1915

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Nr. 2
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Die Hauskapelle des Kollegiums St. Joseph in Ehingen a. D.
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https://doi.org/10.11588/diglit.16255#0059

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ihre Poesie. Ihm liegt ganz besonders
das Lyrische, darum ist et auch so sehr be-
fähigt zum Madonnenmaller.

Die Mutter vom guten Rate ist eines
der pupulärsten Andachtsbilder. In un-
zähligen Nachbildungen ist das Gnaden-
bild von Gennazzano in der katholischen
Welt verbreitet. Baumeister hat selbst-
verständlich die Hauptzüge der Komposi-
tion demselben entnommen. Trotzdem
ist sein Bild als eine selbständige Neu-
gestaltung des alten Vorwurfs anzu-
sprechen. Dies gilt insbesondere vom
Ausdruck des an der Mutter emporklim-
menden, ihr ins Ohr flüsternden Jesus-
lindes und der Mutter, die zwar das Ge-
hörte tief ins Herz versenkt, aber doch
nicht, ohne daß die feinen geschlossenen
Lippen die stille Seligkeit über des Kind-
leins Worte und das zarte Mntterglück
ein wenig verraten. Trotz des benützten
italienischen Vorbildes spricht ganz ent-
schieden deutsche Frauenart, deutsche In-
nigkeit ans diesem Madonnenantlitz.
Baumeister hat das Problem, dessen
durch die Jahrhunderte sich fortsetzendej
Behandlung der Kunst die schönsten Blii- j
teil beschert hat, dl'in aber gerade die j
moderne Kämst so wenig gewachsen ist,
wieder in meisterhafter Weise gelöst. Er
versteht es, das Madonnestideckl, welches
das katholische Volk im Herzen trägt,
auf die Leistwand zu bannen, Würde und
Holdseligkeit, -Jungfräulichkeit und Müt-
terlichkeit miteinander zu verbinden.
Das Spiel der Farben (blau, rot, -grün,
violett) bringt einen vollen, reinen und
freudigen Akkord hervor.

Meisterhaft sind alle drei anderen Bil-
der in das ovale Feld hiNeinköMponiert.
St. Joseph Und St. Aloisius sind gegen-
ständlich, kompositionell Nlld koloristisch
interessante Gegenstücke: hier kraftvolle,
im Dienste des werktätigen Lebens
stehende Männlichkeit, dort eine zarte
Jünglingsblnme, die noch kein Hauch
der Sünde berührt hat. Hier rauhe Ar-
beit und 'schlichte Empfindung, dort fein-
stes, zu innerem Schauen gesteigertes
Seelenleben ustd Fülle edler Gefühle.
Jur Dienste der dargestellten Idee steht
auf beiden Bildern auch Form und Spiel
der Hände. Die aus dein Bild heraus-
greifende 'schwielige 'Rechte des hl. Jo-

seph will offenbar die jugendliche Beter-
schar der Madonna empfehlen, zu welcher
der Heilige aufblickt, während Aloisius
die edel geformten Hände im Gebete
faltet.

Wieder ein anderer Charakter wird
uns in dem Bilde des hl. Bernhard vor-
geführt: das ist der Aszet; der durch
ein Leben geübte Kampf gegen das
eigene Ich hat die Festerseele dieses Mön-
ches von allen Schlacken menschlicher Lei-
denschafteil geläutert, so daß die Flamme
reiner Gottesminne aus dem pracht-
vollen Auge hervordringt, und hat das
zarte Gefäß dieser Seele so edel geformt,
insbesondere diesen Kopf so fein ziseliert.
Baumeister hat sich bei diesem Werk an
ein den hl. Bernhard darstellendes Bild
Fiesoles angelehnt. In der Tat könnte
man sich diese edle Mönchsgestalt inmit-
ten der Heiligen denken, die auf dem
großen Wandgemälde im Refektorium
von San Marco zu dem Gekreuzigten
emporblicken.

Treffliche Goldschmiedearbeiten von
Originalität und 'Geschmack hat Meister
Seitz von hier geliefert: Altarkreuz,
Leuchter, Ewiglichtlampen, Weihwasser-
kessel, Opferstock und Altarklingel. Ein
Glanzstück ist der vom ihm gelieferte
Kelch, bei dem Silhouette und Dekor
wieder einmal seine Meisterschaft ans die-
sem Gebiete beweisest und zeigen, daß
sich auch mit einfachen Mitteln Gediege-
nes schaffen läßt. In Zeichnung und
Ausführung gleich gute Leinenarbeiten
und Altardecken entstammen der Werk-
stätte von Frl. Elisabeth Reisch l e in
! Tübingen.

So haben Architektur, Malerei und
Goldschmiedekttnst zusammestgewirkt, um
dem Hause, in welchem so trefflich für das
leibliche Wohl seiner Insassen gesorgt ist,
auch ein würdiges Heiligtum zu ver-
schaffen, einen Ort, der sie einlädt, ihres
Schöpfers zu gedenken in den Tagen der
Jugend. Möge es auch in Zukunft der
Hauskapelle nicht an Wohltätern fehlen,
um das, was so vielverheißend begonnen
wurde, zur Vollendung git führen. Möch-
ten sich recht bald die Wände mit schönen
Stationen beleben, und -eine kleine Or-
gel in dem stimmungsvollen Ranm ihre
Töne erklingen lassen!

Stuttgart, Buchdruckers, der Akt.-Ges. „Deutsche? Volksblatt".
 
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