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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 33.1915

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Nr. 4
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"Das Bild Christi im Wandel der Zeiten"
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https://doi.org/10.11588/diglit.16255#0092

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89

Was sodann die beiden letzten Bilder
betrifft (S. 3), die Christüsdarstel-
lungen Fahrenkrogs und G u ß -
m a n n §, so hätten wir zum mindesten
dieselben nicht als den Abschluß des
Buches gesehen. Fahrenkrogs Christus-
kopf (bartlos, mit kurzgeschorenmn
Haupthaar) ist ein jugendlicher Gladia-
tor, oder auch ein moderner Agitator,
welchem Kampf und Widerspruch und
Opposition aus den finstern Gesichts-
zügen und den glühenden Augen flammt.
Rein negativ, als kampfbereiter Eiferer
gegen die „Krämer- und Geldwucher-
seelen" steht dieser „Christus" da, von
der inneren Hoheit, Größe und Würde
des Gottessohns ist darin nichts zu fin-
den. Nicht so unrecht hat derjenige Be-
schauer dieses merkwürdigen „Christus"-
kopfes geurteilt, welcher sagte: so unge-
fähr könne auch der glaubensloseste So-
zialdemokrat sich „Christus" gefallen
lassen. Gußmanns CH' istus aber ist
ebenfalls eine peinliche Ueberraschung.
Nicht ohne Grund leitet der Verfasser
selbst seinen Kommentar zu diesem Bilde
mit den Worten ein: „Ich bitte . . .
dieses letzte Bild nicht mit einem ent-
setzten Schrei der Entrüstung zu über-
blicken und das Buch dann unwillig zu-
zuklappen". So schlimm ist es nun ge-
rade nicht. Aber ein eigentlich würdi-
ger und vollentsprechender Abschluß der
Sammlung, in welcher die größten Mei-
sterwerke der CHristusdarstellung von
den ältesten Zeiten an enthalten sind,
Bilder, aus deren übergroßer Mehrzahl
der positive Christusglaube der Meister
und ihrer Zeit spricht — ein auch nur
einigermaßen befriedigender Abschluß
dieser Sammlung ist das Gußmannsche
Bild nicht. In einer öden Landschaft
steht in ganzer Figur Christus da, be-
kleidet mit einem weißen, fast faltenlosen
Talar, die Füße auseinandergespreizt,
eine Hand gegen den Himmel gehoben,
die andere seitwärts ausgestreckt, den
Kopf, besonders aber die Augen nach
oben gehoben, in dem modernen Ange-
sicht ein kurzgeschorener Bart: „Der
Prediger" nennt ihn die Erklärung.
Wäre der Talar schwarz, so hätten wir
einen ernst predigenden evangelischen
Geistlichen vor uns. Man könnte die

Figur noch eben gelten lassen zur Not als
ein Johannes-Täufer-Bild, nur wäre
dafür der Kopf etwas zu gepflegt. Aber
eine wirkliche Christusfigur ist das nicht.
Es ist ein „Diener am Wort", Chri-
stus ist aber das ewige Wort selber;
es ist bloß ein begeisterter Redner, aber
Christus ist das Licht und die Wahrheit
selber, und er ist der autoritative und
einzig berufene Lehrer der ganzen
Menschheit. Von all diesem übernatür-
lichen Inhalt des Glaubens an den Men-
schensohn ist in diesem Bilde nichts zu
finden. Wie gewaltig steht z. B. die
Christusfigur C i m a s im Gegensatz da-
zu da! Wir wollen dein Meister den be-
sten Willen nicht absprechen und sind
überzeugt, daß es ihm ernst gewesen ist
mit dem Bestreben, etwas Gutes zu schaf-
fen. Die Darstellung ist das Altarbild
der evangelischen Kirche in Wiener-Neu-
stadt. Als katholisches Altarbild müßte
es abgelehnt werden. Und als Schluß-
bild des Buches von Lic. theol. H. Preuß
ist es an sich unbefriedigend, eigentlich
ein großes Fragezeichen anstatt des
Schlußpunktes, aber doch wieder charak-
teristisch für den eigentlichen Stand-
punkt des Verfassers.

Wenn wir im Vorstehenden unserer
eigenen gegensätzlichen Meinung zu ein-
zelnen Punkten des Buches Ausdruck ga-
ben, so geschah es durchaus nicht, uni
dasselbe abzulehnen; im Gegenteil, wir
halten es für einen inertvollen Beitrag
zur religiösen Kunstgeschichte und können
die Sammlung der Abbildungen, ein-
schließlich des größeren Teils der Kom-
mentare dazu, nur begrüßen und will-
kommen heißen. Aber die itnmer wie-
der scharf betonte konfessionelle Stellung-
nahme des Verfassers hat. es uns gebo-
ten erscheinen lassen, eine Empfehlung
dieses Buches nicht ohne die gebührende
Betonung unseres Standpunktes hin-
gehen zu lassen. Das beste wäre freilich
ein ergänzendes Parallelwerk, in wel-
chem nicht bloß die Lücken etwa ergänzt,
sondern vielmehr auf Grund unserer
katholischen Glaubensanschauungen die
ganze Aufgabe der künstlerischen Chri-
stusdarstellungen prinzipiell dargestellt,
die wahren wie die falschen Wege zur
Lösung derselben charakterisiert, von
 
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