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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 33.1915

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Nr. 4
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Pfeffer, Albert: St. Notburga in der schwäbischen Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.16255#0105
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102

ncn Wallfahctsbild in der ehema-
ligc'ii Kupferstich-Sammlung des
Klosters Rheinau hat sich nicht er-
halten.

Während die genannten Darstel-
lungen nicht über das 18. bezw. 17.
Jahrhundert hinaufgehen, fanden
sich ziemlich Ineil entfernt vom
Kultzentrum in W ü r t t e m -
berg beträchtlich ältere Not-
burga b i l d e r. Das Gelverbc-
museum in Ulm, das ziemlich reich
an schwäbischen Skulpturen ist, be-
sitzt eine hochinteressanteHolzflulp-
tur ans Lindenholz, 86 Zentimeter
hoch, ohne farbige Fassung. Die
überschlanke, zarte Gestalt mit
hohem Oberkörper und schmalen
Schultern, bekleidet mit vorne weit
offenem Mantel, breiter Halsbinde
und gefälteltem Kopftuch, sitzt auf
einer einfachen Bank und hält in
ihrem über den Schoß gebreiteten
Mantel acht muntere, unbekleidete
Kinder, die wie junge Vögel mun-
ter aus dem Nest herausschauem
Das große runde Gesicht mit den
jugendlichen Zügen und dem klei-
nen Mund, ganz verborgen unter
dem großen Kopftuch und der Hals-
binde, zeigt die der schwäbisch-nl-
mischen Kunst eigene beschauliche
Innerlichkeit. Einzelne Merkmale,
wie die überschlanken Proportio-
nen und der schmale Oberkörper,
weisen bezüglich der Entstehungs-
zeit noch in das 14. Jahrhundert.

Doch gehört die Figur dem Anfang
des 16. Jahrhunderts an; bestim-
mend sind für diese Zeitansetzung
die Kleidung, die Schlängelfalten
am Kopftuch mit den charakte-
ristischen kalligraphischen Stilsormen,
Kopfbildung und Sitzmotiv. Somit
hätten wir in her Ulmer Skulptur die
älteste Notburgadarstellung, die um we-
nigstens 300 Jahre älter ist, als die äl-
testen bekannten Bilder aus ihrem Kult-
zentrum. Das Charakteristische daran
ist, daß Notburga die acht Kinder in
ihrem Schoß vom Mantel umschlungen
trägt, während das neunte lebende oder-
tote Kind am linken Fuß der Figur
einstens vorhanden gewesen sein dürfte,

St. N o t b u r g a.

Holzskulptur im Gewerbemuseum Ulm.

nunmehr aber abhanden gekommen ist,
und daß die Heilige einfach als Ma-
trone, nicht als Fürstin dargestellt ist;
denn Kopftuch und Mantel charakterisie-
ren sie einfach als Frau; es fehlt jede
Spur und Andeutung einer Krone und
nichts verrät eine Fürstin, wie auf den
späten Darstellungen des 18. Jahrhum
derts. Nach glaubwürdiger Uebecliefe-
rung stammt die Figur aus dem Besitz
des verstorbenen Münsterbaumeisters
Bosch, der sie aus der Gegend von Ehin-
 
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