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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 33.1915

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Nr. 4
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Schmid, Franz: Die Musik der Glocken
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https://doi.org/10.11588/diglit.16255#0112
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— 109

bronzenen (gegossenen) auch eiserne (ge-
schmiedete). Walafried Strabo 13) redet
von „ vasis fusilibus vel/etäam produc-
tilibus". Wohl die einzige eiserne Glocke,
die in Württemberg noch zu finden ist,
befindet sich in Algershofen bei Mnn-
derkingen. In neuester Zeit hat man
Gußstahlglocken verfertigt, Aluminium-
legierungen verwendet, in Amerika hat
man auch Kirchenglocken aus Glas er-
funden, aber stets haben die beiden von
alters her in Gebrauch genommenen
Bestandteile der Glockenspeise siegreich
das Feld behauptet, und diese sind Kup-
fer und Zinn (auch gegen die übrigens
legendären Silberglocken). Unser Pa-
triotismus kann uns nicht abhalten, zu
konstatieren, daß russisches Kupfer und
englisches Zinn die beiden Alliierten
sind, die im Glockenmetall den wohl-
klingendsten Zweibund schließen. Als das
günstigste Mischungsverhältnis wird ge-
wöhnlich angenommen 78 Teile Kup-
fer und 22 Teile Zinn. Bei kleineren
Glocken mag man bis zu 20 Teilen Zinn
herab-, bei großen bis zu 23 Teilen
Zinn hinaufsteigen; aber diese Grenzen
dürfen nicht überschritten werden.

Wenn es sich nun darum handelt,
mehrere Glocken zu einem Geläute zu
vereinigen, so staucht sofort die Frage
auf: harmonisch oder m e l o-

d i s ch? Soll das Geläute die Inter-
valle eines Dur- oder Moll-Akkordes
hören lassen (e, o, g, c) oder sollen die
Töne der einzelnen Glocken die dia-
tonische Tonfolge angeben (e, d, e)?
Die Frage hat schon mehr Staub auf-
gewirbelt, als sie im Grunde wert ist/
unb scheint sich mehr und mehr zugun-
sten der melodischen Geläute zu wen-
den. Vor allem kann bei einem Geläute
nie, wie etwa bei der Orgel, von einer
bloßen Harmonie die Rede sein, lveil
die Glocken verschieden groß sind, also
nicht gleichzeitig anschlagen, vielmehr
stets eine Melodie bilden. Nun ist aber
die Melodie, die die Töne eines Akkords
bilden, bald langweilig und fad unb
kann dem Herzen nichts sagen. Ferner
wird von einem rein harmonischen Ge-

Rer. eccl. c. 5 bei Otte, a. a. 0. S. 68.

läute wohl nur bei höchstens drei Glocken
die Rede sein können; bei vier unb mehr
Glocken wird es niemanden einfallen,
die harmonische Zusammenstellung e, e,
g, c oder gar c, e, g, c, e, g zu wäh-
len. Unseres Wissens findet sich dieses
Geläute auch niemals. Endlich ist zum
Unterschied von Akkordklängen nicht zu
übersehen, daß, wenn auch das Geläute
melodisch ist, die einzelne Glocke
eine solch reiche Welt von Harmonie in
sich birgt, daß die Melodie sich vielfach
in dieselbe verwebt. Bei zwei oder drei
Glocken wählt man wohl am besten die
diatonische Tonfolge. Will man ein
harmonisches Geläute haben, so ist es
in letzter Linie Geschmackssache, ob man
den Dur- ober Moll-Akkord wählt. Letz-
terer scheint bei den Katholiken, ersterer
bei den Protestanten beliebter zu sein.
Uebrigens mehren sich neuestens auch
auf protestantischer Seite die Stimmen
zugunsten des Moll-Geläutes. „Die ge-
ringe Bevorzugung des Moll bei Zu-
sammenstellung von Geläuten," sagt
Bmle"), „ist sehr zu beklagen, denn
im Moll vereinigen sich die Glocken
viel inniger, während im Dur-Geläute
die große Terz in der Regel unange-
nehm dominiert." Ebenso äußert sich
neuerdings Löbmann^): „Moll ist das
Tongeschlecht, das dem deutschen Volks-
liede fremd ist und fremd bleibeil wird.
Daher klingt Moll nicht alltäglich. Es
macht den Eindruck des Feierlichen,
Sonntäglichen. Sodann ist die Haupt-
tonart fiir den Ausdruck des Ernsten,
Erhabenen Moll. Es ist llicht Zufall,
daß die alte kirchliche Haupttonart -
Aeolisch — unserem A-Moll sehr nahe
kommt." Bei Geläuten von 4 und mehr
Glocken wird sehr feiten ein rein melo-
disches, sondern vielmehr ein gemischtes
disponiert werden; dieses ermöglicht
auch die schönste Abwechslung für die
verschiedenen gottesdienstlichen Gelegen-
heiten. „Hiebei," bemerkt Biehle (S. 112)
sehr beachtenswert, „ist in erster Linie
ein Doppelgeläute in der Weise zu dis-
ponieren, daß drei Glocken ein Dur-

*') Biehle, a. a. O. S. 111.

Or. Löbinaim, Ueber Glockentöne. Leipüq,
Breitkopf Härtel. 1915. ©, 38.
 
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