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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 34.1916

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Nr. 1
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Fuchs, Willy P.: Die Tätigkeit des Wessobrunner Stukkators Johann Michael Feichtmayr in Württemberg: ein Beitrag zur Charakterisierung der Kunst der Gebrüder Feichtmayr aus Wessobrunn
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https://doi.org/10.11588/diglit.16256#0018

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15

düng. durch Halbkreisbogen, Umgestal-
tung der Fenster dev Hochsschifflvände
nach der Baßgeigenform und endlich in
Neuwölbung von Mittelschiff und Sei-
tenschiffen (des ersteren abwechselnd
durch Flachkuppeln mit Hängezwickeln
und durch flache Tonnen mit Stichkap-
pen). Ferner wurden die drei westlichen
Hauptjoche für den Frauenchor abge-
trennt und deren Zusammengehörigkeit
auch in der Wölbung — durch längliche
Flachkuppeln — zum Ausdruck gebracht.
.Für den Gesamtentwurf der Dekora-
tion waren die großen Flächen der
Hochwände des Mittelschiffs naturgemäß
von bestimmender Bedeutung. Feicht-
mayr pflegt sie durch große, mit Ma-
lereien geschmückte Spiegel zu meistern,
deren farbige Flecke den Rhythmus der
Jochteilung unterstreichen und durch
ihre Harmonie nrit den farbigen Ge-
wölbefpiegeln einen dekorativen Zusam-
urenhang zwischen Wand und Decke Her-
stellen, der in stilreinen, mittelalterlichen
Kirchenräumen ureist fehlt. Jener Joch-
rhythmus ist durch flache, gedoppelte
Pilaster bewirkt, und zwar so, daß in
den Jochen mit Stichkappen je ein
Zwischenpilaster angeordnet ist. Alle
Profilierungen der Gesimse, Archivol-
ten und Spiegelrahmen sind äußerst
zart, so daß der kräftig reliefierte orna-
mentale Schmuck umso stärker hervor-
tritt. Die Stuckdekorationen sind nur
an geometrischen Orten angebracht: am
Scheitel der Archivolten, an Fuß und
Kopf der Wandpilaster, an den Mittel-
teilen der Fenster und Wandspiegel, an
den Scheiteln der Gurtbögen und am
Rande der Deckenspiegel. Eine Eigen-
art Feichtmayrscher Tjekorationsweise
sind die Umrahmungen der Spiegel auf
den Hängezwickeln und den .Tonnen-
zwickeln. Auch die große Fläche der
Triumphbogenwand bot Gelegenheit
zur Anordnung einer ihrer Bedeutung
entsprechenden ornamentalen Gruppe:
das Motiv eines Doppelwappens (der
Zisterzienser unb der Aebtissin von Gall)
ist unterlegt und erbreitert durch eine
faltige, von Putten gehaltene Drape-
rie, deren unsymmetrische Zeichnung
den Kenner des Rokokostils keineswegs
überrascht. Freiplastische Putten über

den Gebälken der Gurtenpilaster mar-
kieren die Bedeutung dieser struktiv
wichtigen Punkte. Alle diese Einzel-
elemente der dekorativen Komposition
zusammengenommen, bilden ein treff-
liches Beispiel für das Feichtmayrsche
Prinzip der Dekoration mittelalter-
licher Räume, das kurz etwa so zu um-
reißen wäre: Neben großer Freiheit
und Lebhaftigkeit in Komposition und
Ausführung keine Verschleierung und
Ueberwucherung des architektonischen
Aufbaus, sondern vielmehr sinnenfäl-
lige Verdeutlichung der Funktionen sei-
ner Glieder und gewissermaßen „Erhei-
terung" des strengen architektonischen
Gerüsts durch die Lebhaftigkeit des or-
namentalen Schmucks in Form und
Farbe.

Das M ü n st e r des B e n e dil-
ti n e r k l o st e r s Zwiefalten

winde von dem. berühmten bayerischen
Baumeister Joh. M. Fischer in den
Jahren 1738—1765 erbaut und gilt als
eine der vorzüglichsten Barockkirchen
Süddeutschlands. So wenig künstle-
rischen Wert das Aenßere des Bauwerks
besitzt, so sehr überrascht das Innere
durch die Großartigkeit seiner Raum-
Verhältnisse und die Pracht seiner De-
korationen. Eine ausgesprochene Saal-
kirche, macht sie trotz ihrer geringen
Breite einen nicht weniger weiträumi-
gen Eindruck, als ein anderer, noch grö-
ßerer Ban Fischers, die Benediktiuer-
kirche zu Ottobeuren. Es rührt dies
wohl daher, daß das Verhältnis von
Unterbauhöhe (bis zum Kämpfer gemes-
sen) und Gesamthöhe zur lichten Weite
des Raumes bei beiden annähernd das-
selbe ist und deshalb ein Vergleich der
absoluten Maße aus dem Gedächtnis
. den Unterschied kaum wahrnehmbar
macht. Dagegen kommt Ottobeureirver-
möge seiner zentralen breiten Raum-
gruppiernng dem barocken Raumideal
noch näher als Zwiefalten, dessen Haupt-
reiz eben in seiner bühnenartigen Ti»
fenwirkung, ähnlich derjenigen der sog.
Vorarlberger Münsters, beruht. Die

7). Ueber das Vorarlberger Münsterschema
vergl.: Die Bovarlberger Bauschule von Pros.
 
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