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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 34.1916

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Nr. 1
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Fuchs, Willy P.: Die Tätigkeit des Wessobrunner Stukkators Johann Michael Feichtmayr in Württemberg: ein Beitrag zur Charakterisierung der Kunst der Gebrüder Feichtmayr aus Wessobrunn
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https://doi.org/10.11588/diglit.16256#0022

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19 —

Feichtmayr auf zweierlei Wegen Ein-
gang: einmal auf indirektem, durch die
zeitgenössischen, in Augsburg erscheinen-
den Stiche^), und zunr zweiten aus
direktem Wege durch die Freundschaft
und Mitarbeit Cuvillies', dem Schü-
ler Boffrands. Im einzelnen läßt sich
dieser Einfluß an einer Reihe Feicht-
mayrscher Detailbildungen seststellen:
der netzartige Flächenschmuck der Zwik-
kelspiegel hat einen Vorgang in den
Supraporten Robert de Cottes (z. B.
in den Zimmern des Hotel de Vrillibre);
die verstreuten naturalistischen Bliiten-
ranken ebenso wie die Schilsbündel in
Dekorationen von Bossrand und Cu-
villiss; die Drachenflügel der Zwicfal-
tener Zwickelspiegel in Wanddekoratio-
nen von Bosfrand (z. B. im Hotel de
Soubise) und endlich, die hermelinar-
tige Musterung größerer Ornament-
flächen in den bekannten Jdealentwiir-
sen P. E. Babels. Der letztere hat ihm
ja wohl überhaupt am meisten gegeben.
Die Erklärung dafür sehe ich in der
Tatsache, daß Babels breite, beinahe
derbe Detailbehandlung dein deutschen
ornamentalen Empfinden viel näher
steht, als dem französischen 12 * *). Babels
Einfluß aus die Gebrüder Feichtmayr
macht sich insbesondere auch bei deren
kunstgewerblichen Arbeiten geltend, so
bei ihren Altarentwürfen zu Neumann-
schen Kirchenbauten. Am auffallendsten
erinnert der Altar der vierzehn Heili-
gen in Neumanns gleichnamiger Wall-
fahrtskirche an jene Phantasieentwürfe
Babels, die den Rokokorahmen zu einem
für sich bestehenden Architekturgebilde
nmschaffen 1S).

n) Johann Georg Bergmüller (1687—1762),
Johann Andreas Bergmüller, Baumgärtner, Sa-
lomon Kleiner, Franz Xaver Hnbcrmann (1721
bis 1796), Johann Jesaias Nilson (1721 — 1788)
nnd Jeremias Wachsmnth (1712 — 1779) sind
die bedeutendsten Augsburger Kupferstecher da-
maliger Zeit; mit ihnen wesensverivandt die
Berliner F. W.Hoder und I. M. Hoppenhaupt.

19) Babels deutsche Abstammung ist vielleicht
mit ein Grund für diese deutsche Eigenart seiner
Ornamentation.

'") Früher nahm nian allgemein an, Neu-
mann habe die ornamentalen Details seiner De-
korationen nichr nur selbst entworfen, sondern

auch selbst detailliert. Das von Fritz Hirsch vor

Uebrigens tcift Feichtmayr die vor-
genannten Eigenarten des Details —
mit Ausnahme jener Drachenslügel von
Zwiefalten —• mit anderen, ebenfalls
unter französischem Einfluß stehendem
Wessobrnnnern, so mit Jbelher, Schmn-
zer und Gigl. Was aber seine Orna-
mentik vor der ihrigen wie vor der
aller anderen Rokokodekorateure aus-
zeichnet, das ist die überaus kräftige,
flächige, flüssige und gedrängte Behand-
lung des Ornaments (man vergleiche
z. B. Schmuzers Dekorationen in der
Ettaler Klosterkirche mit Feichtmayrs
Zwiefaltener Stukkaturen). Am näch-
sten kommt ihm noch Johann Georg
Gigl, dessen reizvolle Gewölbestukkatu-
ren in der Schloßkirche von Jsny (1757)
geradezu als Vorläufer der Feichtmayr-
schen gelten können. Interessant ist
auch der Vergleich mit der dritten gro-
ßen Rokokokirche Süddeutschlands, der
Stiftskirche von St. Gallen. Dort zeigt
Christian Wcnzinger eine Ornamentik,
die derjenigen der Wessobrnnner zwar
nicht ferne steht, aber noch mehr als diese
von der französischen Rocaille abhängig
ist, und zwar so sehr, daß die losen,
weitgesponnenen Blütenranken direkt
von Meissonier und die nmbänderten
Schilfbiindcl der Gewölbezwickel von
Bosfrand übernommen zu sein scheinen.
Dagegen sind andere Einzelheiten, wie
die Umrahmungen der Spiegel, die
Schlußsteinverzierungen nnd der figür-
liche Schmuck schon in deutschem Sinne
umgearbeitet, aber viel weniger kräftig
nnd geschlossen, als die entsprechenden
Feichtmayrschen Details. Was die Or-
namentik Feichtmayrs noch weiter von
derjenigen seiner Wessobrnnner Znnft-

einigeu Jahren einem genaueren Studium unter-
zogene sog. „Skizzenbuch Balthasar Neumanns"
zeigt jedoch, daß man diese Ansicht in ziemlichem
Umfang korrigieren muß. Neumann hat wohl
ivie für den architektonischen Gesamtaufbau, so
auch für die ornamentale Gesamtanordnung seine
Dispositionen gegeben, die Ausführung im ein-
zelnen aber Spezialkünstlern überlassen. Ich
glaube deshalb nicht fehl zu gehen mit der 3(u
nähme, daß auch bei den Altarentwürfen zu
Vierzehnheiligen Neumann nur die Haupiabmes-
sungen und die große,: Linien sestgelegt, alles
Weitere aber dem Spezialisten, also Feichtmayr,
überließ.
 
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