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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 34.1916

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Nr. 1
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Rohr, Ignaz: Die Deutsche Kunstausstellung Baden-Baden
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https://doi.org/10.11588/diglit.16256#0025
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gung sie durchweht, wird jeder zugeben
müssen. — Der oberste Kriegsherr ist in
der Abteilung siir Malerei und Plastik
nicht vertreten. Dagegen bietet Ferd.
Schmutzer in den Räumen siir Graphik
ein Kaiserbild, das mit seinem ernsten,
sinnenden und doch zielbewußten Blick
die Zeitstimmung trefflich lviderspie-
gelt. Selbstverständlich dars die popu-
lärste Gestalt unter Deutschlands Hel-
den nicht sehlen. C. Ritter (Karlsruhe)
hat den Feldmarschall v. Hindenburg
gemalt, die Hängekommission hat
ihm nicht einen Platz an irgend einer
Wand angewiesen, sondern ihn frei-
stehend zwischen zwei Lorbeerbäumchen
postiert, und siir die große Mehrzahl
der Besucher ist er die Hauptattraktion.
Etwas angestrengt blickt er aus dem
Bilde heraus. Aber in den Augen leuch-
tet ein Feuer, das die Energie siir neue s
Taten verkündet. Büsten finden sich j
von Mackensen und Kluck, beide von A.
Kraus. Ein Vergleich der Mackensen-
büste mit seinem im Katalog wieder-
gegebenen Bilde von Angelo Jank aus
der Zeit, da er als Oberst die Totenkovs-
husaren führte, ist sehr interessant: das
Janksche Bild ganz verkörperte Stoß-
kraft, jeden Augenblick zum Losstürmen
bereit, die Biiste: das ruhige Ueberle-
gen, aber auch das energische Wollendes
ruhmgekrönten Heerführers ausdrnk-
kend. Die drei Bilder von Feldgrauen
zeigen, daß auch im Kriege der deutsche
Humor nicht versagt. Der in der
„Rast" von Eugenie Schild dargestellte
sonnt sich im Glück seiner Taten ilnd —
dem verklärenden Schimmer des in
einer Rotweinslasche sich brechenden
Lichtes. Hans Sprung mit seiner ge-
bliimten Halsbinde blickt ouf seinem
Selbstbildnis mit etwas angegriffenen
Augen zwischen entztindeten Augenli-
dern heraus, aber saugt mit einen: Be-
hagen an seiner Pfeife, daß der selige
Spitzweg daran seine helle Freude ha-
ben müßte, wenn das Bild etwas mehr
Farbe hätte, und dem „Kriegsfreiwilli-
gen" vom selben Künstler merkt man
trotz seiner Schrammen, seines bleichen
Aussehens und seines zum Schutze aus-
gekrempelten Mantelkragens doch die
Genugtuung darüber an, mit dabei ge-

wesen zit sein und bisher öurchgehalten
zu haben. Tiefer in den Ernst der Si-
tuation führt Th. Rooholl mit seinen
„Türken in Thessalien", während der
kriegsgesangene Russe von Götzell und
der „farbige" — und zwar sehr chrbige
— Engländer von Kläre Buchholtz uns
einige unserer Gegner zeigt. Die „Mu-
sterung" von W. Klemm will keine pein-
liche Niederschrift des Vorgangs sein,
sondern das Zusammenspiel der Farben
von Uniformen, Leibwäsche, Kleidern,
nackten Menschenleibern und Licht schil-
dern, und das leistet sie. Und die drei
nicht mehr jungen Frauen oder Fräu-
lein von A. Biedermann, die vor dem
Haus der Hebamme Strümpfe stricken
„für unsere Feldgrauen", führen ein
Stiick Kriegsarbeit hinter der Front
vor. Einen breiteren Raum nehmen die
Kriegsszenen bei den Zeichnungen ein.
Man merkt es ihnen an, daß sie in der
Hast und dem Drang des Völkerringens
entstanden sind. Aber daß sie es ver-
stehen, Eindrücke, Bewegungen, Situa-
tionen in knappen und doch markanten
Zügen wiederzugeben, wird man ihnen
.gerne zubilligen, gleichviel, ob sie von
Rnppert, Propp, Psesferle oder Sprung
stammen.

Eine besondere Abteilung ist dem Ge-
dächtnis des verstorbenen Carlos Grethe
gewidmet. Seine Liebe galt der See
und dem Getriebe aus den Wellen und
an den Gestaden. Er hat ihre Reize
in der Dämmerung und im vollen Ta-
geslicht, bei Regen und Sonnenschein,
Ebbe und Flut belauscht, die Fischer zu
Pferd, bei her Ausfahrt, der Arbeit,
der Heimkehr und der Ruhe beobachtet
und glänzend geschildert. Und wer da-
bei beobachtet, wie er in der Wahl sei-
ner Farben ein Thema anschlägt und,
ohne pedantisch zu werden, iiber das
ganze Bild hin variiert, oder wie er die
Farben in ein scheinbares Chaos von
Flecken und Linien auslöst und für die
Betrachtung aus gemessener Entfernung
doch wieder zu harmonischem Zusam-
menklang zwingt, der wird die Vereh-
rung moderner Malweise einigermaßen
begreifen, soweit sie sich von Exzessen
und Extravaganzen sernhält. Daß sie
dies kann, zeigt gerade die Badener
 
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