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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 34.1916

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Nr. 1
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Rohr, Ignaz: Zu W. Steinhausens siebenzigstem Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.16256#0028

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25

einem leuchtenden Blau (vgl. z. B. „Die
Gänseliesel") zu einer Zeit, da die
Landschaft meist noch in brauner Sauce
schwimmt. Von Richter war er ausge-
gangen, hattp aber seine Anregungen
großzügig verarbeitet. Mit den Naza-
renern teilt er die Innigkeit und die
Romantik, die Fühlung mit der deut-
schen Vergangenheit, ließ sich aber durch
die Quattrocentisten über sie hinaussüh-
ren und freute sich an ihrer gesunden
Naivität. Durch die Darstellung bibli-
scher Stoffe ist er mit Gebhardt und
v. Uhde zum Begründer der Protestan-
tischen Kirchenmalerei und kirchlichen
Kunst in Deutschland geworden, jedoch
mit dem großen Unterschied, daß von
llhde durch seine Elendmalerei die Kunst
proletarisiert, Gebhardt die heiligen Er-
eignisse in die Zeit Luthers und die
Kreise lettischer Bauern verlegt und
über der Sorgfalt bei Bearbeitung der
einzelnen Figur den Ueberblick über das
Ganze verliert. Steinhaufen hat mit
beiden das gemein, daß er die heilige
Geschichte der Gegenwart näher zu
bringen sucht, greift aber nicht zu dem
Mittel Gebhardts noch v. Uhdes, son-
dern wählt die deutsche Landschaft als
Hintergrund und gibt damit seinen
Werken etwas Anheimelndes. Wenn er
in den „Zug zum Christkind" seine
hochbetagte Mutter und seine Braut
hineinstellt, oder seine eigene Familie
als Modell für die heilige Familie be-
nützt, so sichert er sich gegen die Gefahr,
nur Typen oder Schemen zu bieten.
Die idealisierte Gewandung, die Stim-
mung und namentlich die Seele, die
sich in den Zügen der Figuren malt,
entrückt sie der Trivialisierung. Gegen-
über dem Wirrwarr aus Gebhardts Bil-
dern füllt die Klarheit und Uebersicht-
lichkeit bei Steinhaufen angenehm auf.
Er versteht es, das Charakteristische
einer Landschaft in wenigen großen Zü-
gen sestznhalten. Man vergleiche nur
seine „Pflanzenstudie", eine Federzeich-
nung aus dem Jahre 1864, also der noch
von L. Richter beherrschten, das Detail
bis auf die Farnwedelspitzen hinaus
wiedergebenden Art, und dann etwa den
„Rhein bei Säckingen" vom Jahre 1877
mit den großen, klaren Konturen, und

der Unterschied springt in die Augen.
Aehnlich verfährt er bei der Auswahl
und Gruppierung der Figuren. Welch
lockende Gelegenheit zu einem Massen-
bilde bot sich ihm bei der „Speisung der
Viertausend". Er hat sie verschmäht
und sich mit acht Gestalten begnügt
(Christus mit drei Jüngern, zwei Män-
nern, einer Frau und einem Kinde aus
dem Volke), sie aber so geschickt ange-
ordnet und so tief beseelt, daß man die
fehlenden Tausende nicht vermißt und
doch sich klar wird über die Tragweite
und die Bedeutung des Ereignisses.

Mit der Beseelung ist ein Vorzug
Steinhausenscher Kunst genannt, der ihn
vor vielen seiner Genossen auszeichnet.
Er hat keine Statisten und Lückenbüßer.
Die wenigen Figuren seiner Gemälde sind
„mit ganzer Seele dabei". Es spiegelt
sich in ihnen das ganze intensive In-
nenleben, das der Meister selber führt.
Es ist wohl kein Zufall, daß er auf kei-
nem der vielen Selbstporträts dem Be-
schauer direkt ins Auge sieht, sondern
den versonnenen Blick in die Weite rich-
tet, wie ein Mann, „dessen Ohr gelan-
schet hat an anderer Welten Tor". Aber
auch seine Verinnerlichung und Besee-
lung weiß Maß zu halten. Bei dem
Bilde „Der Größte im Himrn-elreich"
(Christus mit zwei Aposteln itnb einem
Mann in mittelalterlichem Panzer; vor
ihnen eine Mauer, aus deren Sims er
ein Kind gestellt hat) spricht aus dem
Angesicht Christi überlegene Ruhe,
aus denen seiner Genossen das Stau-
nen, die Ueberraschung, die gehorsame,
aber nicht ganz leichte Unterordnung
unter seine Lehre, daß ein Kind der
Größte im Himmelreiche sein soll. Nun
lag die Versuchung nahe, dem Kinde das
Bewußtsein seiner Bedeutung ins An-
gesicht zu schreiben und damit Gedanken
und Gefühle zu insinuieren, die es nicht
hat. Steinhaufen hat es nicht getan,
sondern stellt das Kind ungezwungen
auf die Mauer und läßt es nichts ande-
res verkünden, als die ungetrübte Kin-
desseligkeit und die Freude, daß es bei
seinem Heiland sein darf.

Am Eingang der zweiten Periode im
Leben des Künstlers stehen Werke, die
organisch aus der ersten herauswachsen
 
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