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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 34.1916

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Nr. 1
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Rohr, Ignaz: Zu W. Steinhausens siebenzigstem Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.16256#0029

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26

und als deren Ertrag und reife Frucht
gebucht werden können, obgleich sie ihn
vor völlig neue Aufgaben stellten. Von
der Zeichnung und dem Tafelbilde führ-
ten sie ihn zur monumentalen Malerei
— und das war das Neue, aber er
konnte schwelgen in der Wunderwelt der
Märchen, Wälder, Quellen lind Bäche
und der deutschen Vergangenheit — und
die war ihm von Brentano her vertraut.

Der Architekt Simon Ravenstein be-
auftragte Steinhaufen mit der male-
rischen Ausschmückung einer Villa zil
Frankfurt und stellte ihn bald vor wei-
tere Aufgaben monumentaler Art. Sie
wurden glänzend gelöst und zeigten als-
bald eine Sicherheit der Technik in der
Fresko- und Sgraffitomalerei, die Be-
wunderung verdient und umso beach-
tenswerter ist, als Steinhaufen mit
Hans Thoma unter einem Dach zusam-
menarbeitete und trotz der beiderseiti-
gen Eigentümlichkeiten lind der schars-
geprägten Individualität des Künstlers
von Bernau den Vergleich mit ihm nicht
zu scheuen brauchte. Steinhaufen griff
zurück auf Shakespeares Sommernachts-
traum, Ovids Metamorphosen, die
Sage von Frau Holle. Ja, er schuf ein
eigenes Märchen, „wie Frau Poesie von
Ritter Renaissance gesunden und er-
obert wird". Letzteres führt scheinbar
weit ab von der Gegenwart und der
nüchternen Wirklichkeit. Und doch be-
hielt der Künstler festen Boden unter
den Füßen lind schilderte einfach —- sein
junges Eheglück. Für Frau Poesie hat
seine Gattin, für die Genien, Putten
usw. haben seine Kinder Modell gestan-
den. Eine während der Ausführung der
Ravensteinschen Aufträge vollzogene
Aenderung in der Technik — erst Petro-
leumfarben auf milchgetränktem, ge-
glättetem Gipsstuck, dann Pflanzen-
wachs mit Petroleum beigemischt (zum
eigentlichen Fresko ging Steinhaufen
erst später über) — war ohne Einfluß
aus die Trefflichkeit der Ausführung,
brachte ihm aber eine Steigerung sei-
ner Fähigkeit zu großzügigem Arbeiten
und zur Konzentration der Handlung.
Sogar als Plastiker! versuchte er sich,
und die Versuche — sieben Charakter-
topfe als Repräsentanten der sieben Pla-'

neten, Konsolenhäupter am Kaiser-Karl-
Haus — Wecken den Wunsch nach mehr.
Ihrem Standort haben sie zwar den Na-
iven „Fratzeneck" eingetragen, aber vergli-
chen mit Böcklins Masken an der Kunst-
halle zu Basel, sind sie doch Zeugen da-
für, daß Steinhaufen.auch aus diesem
Gebiete sich Mäßigung auferlegte.

Bald durste er indessen zu seinem von
früher her ihm vertrauten Arbeitsfeld zu-
rückkehren: der religiösen Kunst, mit der
er übrigens in der Zwischenzeit durch
Werke wie „Christus und die Grie-
chen", „Johannes und die Pharisäer"
Fühlung behalten hatte. Sie sind in-
spiriert von den ekstatisch-spekulativen
Gedankengängen Sören Kierkegaards.

Die neuen Aufträge versetzten ihn in
die angenehme Möglichkeit, die neuer-
worbene Uebung in der Freskomalerei
seinem Lieblingsgebiet zuzuwenden.

Eine Wand des Missionshauses zu
Wernigerode schmückte Steinhaufen mit
einer Illustration des Wortes: Kommet
zu mir alle, die ihr mühselig nnb bela-
den seid, und ich will euch erquicken usw.
In der Mitte Christus am Kreuz und
zu ihm von beiden Seiten emporschrei-
tend oder emporkriechend und -tastend
die Mühseligen, links und rechts zu-
nächst die niedergebeugte Sünderin bezw.
eine kniende Frau mit einem an sie
angelehnten, am Boden sitzenden Kran-
ken, dann erst aufrechte Gestalten (so
daß ein weiter Abstand zwischen ihnen
und dem Kreuze bleibt), von links der
Hauptmann von Kapharnaum und sein
kranker Knecht, dann die Griechin aus
Syrophönizien in der vollen Anmut
und Freiheit ihres Volkes, eine Be-
tende, ein Bettler, der Vater mit dein
mondsüchtigen Knaben, also fast durch-
weg biblische Personen, von rechts drei
Gruppen anderweitiger „Mühseliger",
durch zwei Einzelpersonen glücklich mit-
einander verbunden, die eine davon
Magdalena mit dem Salbengefäß.
Wer das Kunstwerk in seinem Aufbau
wie in seinen einzelnen Gestalten aus
sich wirken läßt, wird ihm die Tiefe wie
die Anmut nicht absprechen können.

Zwischen den beiden, Tüjren unter
demselben hat Steinhaufen das Wort
„Dieser nimmt die Sünder aus und ißt
 
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